piwik no script img

Hollandreisen bald ohne Joint

Auf Druck der Nachbarländer planen die Niederlande ausländischen Touristen den Kauf von Cannabis in Coffee-Shops zu verbieten  ■ Aus Amsterdam Florian Klenk

Amsterdam (taz) – Für Amsterdam-Touristen ist es auch nach zwanzig Jahren liberaler Drogenpolitik noch immer verblüffend: Der Kellner zückt seine daumendicke Speisekarte und serviert die erlesensten Variationen à la Super Skunk, Tai Weed oder Caramello. Fertig gerollt in Joints zu fünf Mark oder in Fünfgrammsäckchen für einen Zwanziger. Coffee-Shops gehören zur niederländischen Rauschkultur wie die Maß zur bayerischen. Jedes Jahr werden angeblich für eine Milliarde Mark weiche Drogen konsumiert, davon zwei Drittel von Ausländern.

Doch geht es nach dem Willen des Parlaments, werden in Zukunft nur noch die geschätzten 600.000 holländischen Kiffer Dope rauchen dürfen. Auf Druck der Regierungen der Nachbarländer wollen die Niederlande die Hälfte der 1.500 Coffee-Shops schließen und den Erwerb von Cannabisprodukten nur noch Einheimischen gestatten. Wann genau die rau(s)chigen Zeiten an den Grachten für die Touristen vorbei sein könnten, ist unklar. Kürzlich ließ das Parlament aber per Anfrage im Justizministerium klären, ob und wie eine Gesetzesverschärfung funktionieren könnte. Die konservative Christdemokratische Partei kämpft schon seit Jahren für die Schließung überhaupt aller Coffee-Shops. „Es kann doch nicht sein, daß Holland seine Nachbarländer mit Drogen beliefert. Wir müssen endlich Restriktionen einführen“, fordert Parteisprecherin Marianne Fennema.

Mißbräuche des liberalen Systems und Drogenschmuggel haben den Holländern nicht nur wiederholt Kritik vom Internationalen Drogenkontrollrat der UNO eingehandelt, sondern in Schengen-Zeiten offener Grenzen auch verstärkten Nachbarsgroll – vor allem der Franzosen und Belgier.

Kritiker der geplanten Maßnahmen sehen nicht nur finanzielle, sondern auch sozialpolitische Nachteile durch eine „Dutch only“-Drogenpolitik: Schon in den siebziger Jahren wurde der Genuß von Cannabisprodukten geduldet, um Jugendliche von harten Drogen abzuhalten. Cannabis ist nämlich auch in Amsterdam nicht legal, die Staatsanwälte legen aber fest, unter welchen Bedingungen es in Coffee-Shops verkauft und geraucht werden darf: Keine harten Drogen, kein Alkohol, nicht mehr als fünf Gramm pro Person, kein Zutritt für Minderjährige und Dealer. Folgt man diesen Auflagen, so drückt die Justiz sogar vor den großen Lagerbeständen der Coffee-Shops beide Augen zu.

„Durch die Coffee-Shops funktioniert nicht nur die Trennung der harten Drogen von den weichen, wir haben die Szene auch unter bester privater Kontrolle“, erklärt der Kriminologe Johann Van Djik vom Justizministerium. Cannabis- Unternehmer haben ein großes wirtschaftliches Interesse an der liberalen Politik. Selbst die Polizei ersucht kleinere Gemeinden, wenigstens einen Coffee-Shop im Ortsgebiet zuzulassen. Doch nach zwei Jahrzehnten toleranter Drogenpolitik steht Holland in Europa immer noch allein da. Da sich Hunderte illegaler Coffee-Shops aber nicht an die ausgeklügelten Richtlinien halten und auch harte Drogen anbieten, fühlen sich die Anrainer durch den Drogentourismus immer mehr belästigt.

Deshalb sollen Ausländer in Zukunft überhaupt kein Dope mehr kaufen dürfen. Für die Betreiber von Coffee-Shops in Amsterdam ein unmögliches Vorhaben. Angesichts der Touristenmassen, die den Großteil des niederländischen Cannabis verrauchen, sieht man sich außerstande, den Reisepaß jedes Konsumenten zu checken. Die Christdemokraten kontern, daß die Betriebe ja heute auch schon das Alter der Konsumenten prüfen müssen. „Wenn man ihnen den Lizenzverlust androht, wird es schon funkionieren“, meint die Sprecherin der Konservativen. Doch selbst im Justizministerium warnte man in einem Gutachten vor dem zu erwartenden Problem holländischer Mittelsmänner, die legal Drogen erwerben, und diese teurer zusammen mit harten Drogen unkontrolliert weiterverkaufen könnten. „Wichtiger ist eine vereinbarte Kontrolle an den Grenzen und die Einführung strengerer Rahmenbedingungen für alle“, erklärt der Drogenexperte des Justizministeriums, Wilfried Kortman.

Auch über strafrechtliche Sanktionen ist man noch uneins. Sie würden nur für Ausländer gelten und so für Probleme mit dem Europarecht sorgen, warnt das niederländische Jusizministerium. Eine Diskriminierung von EU- Bürgern könnte nämlich dem europarechtlichen Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Das Recht auf den ungestraften Joint könnte dann vor dem Europäischen Gerichtshof sogar eingeklagt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen