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Amerikaner telefonieren billiger

■ Fürs Sparen sind aber viel Zeit und Rechenkünste nötig

Washington (AFP) – Die Anrufe kommen meist zur Abendbrotzeit. Eine freundliche Dame verlangt, Sie zu sprechen. Bevor Sie's sich versehen, prasselt das neueste Angebot der Telefonkonzerne AT&T, MCI, LCI, Telegroup oder WorldCom auf Sie ein. Auf dem Markt für Ferngespräche herrscht in den USA seit 1984 der freie Wettbewerb, und die Erfahrungen der heftig umworbenen US-Bürger geben einen Vorgeschmack auf das, was deutschen Telefonkunden nach der Öffnung des Telekommunikationsmarktes 1998 bevorstehen dürfte.

Die US-Telefongesellschaften nutzen nichts lieber als das Telefon, um der Konkurrenz die Kunden abzujagen. Wer als Verbraucher vom freien Wettbewerb auf dem Telefonmarkt profitieren will, braucht viel Zeit, Rechenkünste und starke Nerven. Aber es lohnt sich. Geoff Mordock von der US- Verbrauchergruppe TRAC erklärt, Privatkunden könnten bis zu 30 Prozent im Vergleich zu den Standardgebühren des Ex-Monopolisten AT&T sparen. Welcher Kostenplan der richtige ist, hängt von den Telefoniergewohnheiten der einzelnen ab.

Verbraucherverbände raten, zunächst für sich selbst ein Wählmuster aufzustellen. Wer tagsüber lange Telefonate nach Deutschland führt, ist womöglich bei AT&T mit 35 Cents (rund 63 Pfennig) pro Minute plus drei Dollar (5,40 Mark) Grundgebühr gar nicht schlecht aufgehoben. Ortsgespräche sind bei vielen Anbietern ohnehin umsonst.

Wer bereit ist, sich auf Randzeiten zu beschränken oder vorher jeweils eine fünfstellige Nummer anzuwählen, kann den Preis bei anderen Gesellschaften auf 50 Pfennig pro Minute verringern. Zum Vergleich: Wer von Deutschland aus mit der Telekom in die USA telefonieren will, muß dafür pro Minute – je nach Tageszeit – zwischen 1,32 und 1,44 Mark berappen.

Der Spielraum nach unten ist in den USA riesengroß: Die realen Kosten eines transatlantischen Telefongespräches liegen bei etwa zehn Cent (18 Pfennig) pro Minute. Telefonate in das bereits weitgehend entmonopolisierte Großbritannien kosten bei MCI und AT&T nur noch zwölf Cent (22 Pfennig) pro Minute. Bei der Auswahl einer Telefongesellschaft ist Feilschen erlaubt.

Für die Rabatte, mit denen die Telefongesellschaften werben, werden die Verbraucher aber in anderen Bereichen zur Kasse gebeten. Wesentlich höhere Gebühren fallen an, wenn man von einer Telefonzelle oder dem Büro statt vom Hausanschluß aus mit der Freundin in Europa plaudert.

Trotz all dieser Fußangeln lobt Brett Haan von der Aufsichtsbehörde FCC die Liberalisierung in höchsten Tönen. Durch die Marktöffnung seien die Telefonkosten für Privatleute, Kleinbetriebe und Firmen dramatisch gesunken und zahllose neue Arbeitsplätze geschaffen worden. „Deutschland hat eines der besten Telefonnetze der Welt“, sagt Haan. „Es könnte in kurzer Zeit genauso wettbewerbsfähig werden.“

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