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Sind Sie glücklich?„Glück ist, richtig laufen zu können“

■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. Ein Schlaganfall hat Yvel Hyppolite vollkommen aus der Bahn geworfen. Auch seine Liebe zu Deutschland ist schwer angeknackst

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.

Der 57jährige Rentner Yvel Hyppolite: Nein, ich bin nicht glücklich, weil ich wegen meiner Behinderung meinen geliebten Job verloren habe. Ein Schlaganfall hat mich vor vier Jahren vollkommen aus der Bahn geworfen. Ich war seit zwanzig Jahren Lehrer für Fotografie im Letteverein und sehr glücklich damit. Nachdem es passiert war, hat man mir nahegelegt, in Rente zu gehen. Ich hätte sehr gern weitergearbeitet. Daß ich bei der Rehabilitation so große Fortschritte machen würde, war vor vier Jahren nicht absehbar. Nun kann ich wieder laufen, mein linker Arm wird auch immer besser. Vielleicht arbeite ich irgendwann wieder als Porträtist.

Ich bin gebürtiger Haitianer. Eine diffuse Liebe zu Deutschland hat mich vor 39 Jahren hierherverschlagen. Bis zur Wende war ich ausgesprochen glücklich. Dann habe ich eine andere Seite des Landes kennengelernt: die Brände in den Ausländerheimen, den Haß. In meiner Liebe zu Deutschland ist etwas zerbrochen. Das macht mich unglücklich. Daß man Leute aufgrund ihrer Hautfarbe überfällt, empfinde ich als so beleidigend, daß ich Ostberlin und die neuen Bundesländer meide. Natürlich kann einem das auch in Westdeutschland passieren. Aber dort wird es nicht so klammheimlich gebilligt.

Während meiner Zeit im Krankenhaus habe ich aber auch einige sehr nette und hilfsbereite Menschen aus dem Osten kennengelernt. Glück ist die Summe glücklicher Momente, und die habe ich durchaus. Richtig glücklich machen mich schöne Musik, schöne Literatur und schöne Landschaften. Das absolute Glück wäre, wieder richtig laufen zu können. Plutonia Plarre

Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz

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