Pop komm raus...: Strohfeuer der Eitelkeiten
■ Im Club spielen die Exoten, auf den Panels wird Globalisierung diskutiert
In voller Masai-Montur, deren weiße Bommeln fröhlich über dem kleinen Bauchansatz tanzten, wirkte Jabu Khanyile, Sänger und Kopf der südafrikanischen Gruppe Bayeté, als wäre er mit seiner Band auf die falsche Party geraten. Und dann sang er auch noch Sachen wie die Sportshymne des neuen Südafrika: „Time has come for honesty, people have to learn not to lie anymore.“ Rührend.
Die jungen Kreativen, die ihre Street-Credibility in Form der aktuellen Streetwear-Kollektionen spazierentragen, und die älteren Anzugmenschen mit den braungebrannten Magengeschwürgesichtern spendeten jedoch freundlichen Beifall für die kuriosen Besucher vom Kap, die ihnen quasi als Aperitif zum kühlen Kölsch gereicht wurden: die Exotennummer im großen Popkomm-Zirkus.
Bei der Popkomm scheint es allmählich zur festen Sitte zu werden, sich zur Eröffnung mit besonders weitgereisten Gästen zu schmücken: Letztes Jahr japanische HipHop-Teenies, diesmal eine kunterbunte Township-Truppe, die freilich zu Hause in Südafrika zur ersten Liga gehört. Soll das Weltoffenheit demonstrieren? Wo sich doch in diesem Jahr gleich mehrere Debattenpanels damit beschäftigen, wie man mit den eigenen Popprodukten in entlegene Märkte vorstößt, von Südamerika über Osteuropa bis nach Südostasien – und kein einziges fragt, wie man denn Musiken von dort hierher bringt. Wir haben verstanden: Standort rules!
Stunden vorher hatte der Popkomm-Trubel zumindest in der Kölner Innenstadt schon begonnen: Da feierte eine bekannte Musikkaufhauskette ihre Filialeröffnung auf dem hochgelegenen Parkdeck, mit Panoramaaussicht auf den Dom und rund um Köln. Im gleißenden Sonnenlicht drängen sich rund zweihundert Mädchen um die Bühne, als wäre Sommerschlußverkauf, weil dort die vier Worlds-Apart-Boys mit nacktem Oberkörper und zusammengebissenen Zähnen freundlich grinsend Autogramme verteilen, um nach getaner Arbeit leicht angenervt die Stifte in die jauchzende Fankolonne zu pfeffern.
Eine halbe Stunde später springt Kimsy, die deutschsprachige MTV-Nervensäge, wie ein entfesselter Flummi auf die Bühne und kündigt mit überschnappender Stimme die sensationelle Weltpremiere des neuen Sabrina-Setlur-Videos an, das von nun an, wie sie droht, „jeden Tag auf MTV rotieren wird“. Woraufhin die Genannte selbst, mit Sonnenbrille bewaffnet, aus den Kulissen tritt und zur Autogrammfron schreitet. Auf Zuruf läßt sie sich nicht bitten und nimmt die Sonnenbrille ab: Strohfeuer der Eitelkeiten.
Köln, die schwitzende Stadt. Proportional zum Anstieg der Temperaturen auf über dreißig Grad schwindet die Lust, sich in lärmende Messehallen oder stickige Konzertsäle zu bewegen. Beim offiziösen Eröffnungskonzert im E-Werk, wie ein Weihnachtsbaum von Lichterketten bedeckt, ist denn auch der Eisautomat im Souterrain der beliebteste Anlaufpunkt neben dem Biergarten.
Drinnen müht sich das sympathische britisch-brasilianische Trio Smoke City, mit verspieltem Drum 'n' Bossa ihrem vorgezeichneten Schicksal als One- Hit-Wonder zu entgehen, doch nach „Underwater Love“ (das auf Platte natürlich viel besser klingt) ist Schluß. Dann hasten schemenhafte Gestalten über die Bühne und drehen an allerlei Reglern – Mouse on Mars also, das kleine Krautrock-Kraftwerk für die Neunziger, demnächst big in Japan. Und mit Primal Scream folgt ein weiteres Mal die große Sixties-Simulationsmaschine, flackern Demonstrationen, Aufmärsche, Flugzeuge und Explosionen über die Videoleinwand bis zum Exitus wegen Reizüberflutung.
„Hoffentlich bleibt das Sujet Musik ausdrucksstark genug, um nicht irgendwann als schmückendes Beiwerk in einem viel größer strukturierten Entertainmentkomplex auf- beziehungsweise unterzugehen“, steht im Popkomm-Katalog. Schön gesagt. Am E-Werk-Portal lungert schon wieder Kimsy mit Kamerateam herum und schießt ein paar Bilder. Heute zu sehen auf allen Monitoren bei McDonalds, WOM oder im Jeansgeschäft Ihrer Wahl. Daniel Bax
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