: „Wahnsinnsleben“ beim Kommiß
■ Nicht erst seit dem Oder-Einsatz steigt das Ansehen der Bundeswehr. Weniger Verweigerer, neue Werbespots
Berlin (taz) – Die Säcke von der Bundeswehr gehören seit ihrem Oder-Einsatz zu den beliebtesten Unterhaltungsstars im deutschen Fernsehen. Aus diesem Grund bekommt die Bundeswehr die „Goldene Henne 1997“ verliehen. Der Preis, der an die DDR-Ulknudel Helga „Henne“ Hahnemann erinnert, wird jährlich von den Zeitschriften Super-Illu, Super-TV“, dem Mitteldeutschen Rundfunk und dem Berliner Friedrichstadtpalast an die besten Entertainer vergeben.
Das Ansehen der Bundeswehr sei seit ihrem kollektiven Sandsackschleppen „wieder sehr hoch“, jubelt der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Dieter Hackler (CDU). Das lasse sich auch an den sinkenden Zahlen von Wehrdienstverweigerern ablesen, sagt der Mann, der sich qua Amt eigentlich für die Interessen jener Verweigerer stark machen müßte.
Im ersten Halbjahr 1997 haben nach den Zahlen seiner Behörde 79.471 junge Männer einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt, das sind zehn Prozent weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres. Der Zivildienstbeauftragte erwähnt nicht, daß seine Statistik nur bis Ende Juni reicht, weil das Bundesverteidigungsministerium die Verweigererzahlen von Juli noch nicht freigegeben hat. Insofern ist ein Effekt des Oder-Einsatzes noch gar nicht ablesbar.
„Die Spitze bei der Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist vor etwa einem halben Jahr abgeknickt, seitdem werden es weniger“, hat zu seinem Leidwesen auch Christian Herz von der Berliner „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ beobachtet. Er vermutet mehrere Ursachen: „Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel schlagen immer mehr durch, aber für die einzelnen gibt es auch immer weniger Widerspruchsrechte oder andere Möglichkeiten, sich dem Bund zu entziehen.“ Volker Rühes Propagandaabteilung auf der Hardthöhe arbeite sehr effektiv: Gegen antimilitaristische Organisationen wie der „Kampagne“ sei inzwischen ein bundesweites Auftrittsverbot in Schulen verhängt worden.
Gleichzeitig nimmt diese Propagandaabteilung die Videoclip-Generation ins Visier: mit sechs neuen Fernsehspots, die in den nächsten Wochen über die Schirme der Nation flimmern sollen. In diesen Spots, schnell geschnitten und mit heißer Musik unterlegt, erzählen die Spieße Christoph, Marc, Björn und Danny von ihrem „Wahnsinnsleben“ beim Kommiß: Die Kameradschaft ist „nonplusultra“, und überhaupt, „da ist was los, da geht's zur Sache“. Und das Allerheißeste, schwärmt Danny, sei der Höllenlärm, den so ein Tornado-Kampfjet mache. Ute Scheub
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen