Südfrankreich oberhalb der Elbe

■ Von Kugeln und Säuen – die 14ten „Hamburger Boule-Wasserspiele“in Altona

„Diese Zahl zeigt den Härtegrad der Kugel an, und diese geben Auskunft über Durchmesser und Gewicht“, informiert Isolde Hennekemper den unkundigen Betrachter über die auf den ersten Blick seltsam anmutenden Stahlkugeln. Und sie muß es schließlich wissen, spielen doch alle aus ihrer Familie seit Jahren Boule Pétanque, jenes aus Frankreich stammende Kugelspiel, das einen unwillkürlich an mediterrane Gefilde denken läßt.

Um auch Nordlichtern diesen Zeitvertreib näher zu bringen, lud der Altonaer Boule Club (ABC) am Sonnabend zum Kräftemessen der Kugelvirtuosen. Die bereits zum 14ten Mal ausgetragenen „Hamburger Wasserspiele“waren jedoch nicht nur aufgrund der 156 angetretenen Teams ein voller Erfolg, sondern auch weil die Mischung aus Sport, Spaß und Straßenfest stimmte.

Schon im Vorfeld war klar geworden, daß die geplanten 30 Bahnen am Altonaer Balkon bei weitem nicht ausreichen würden, so daß das Turnier auf den Vorplatz des Alto-naer Rathauses und in den Klopstockpark hinein erweitert wurde. Auch der Spielmodus mußte angesichts der über 300 Aktiven kurzfristig geändert werden. Ohne die Unterteilung in A-, B-, und C-Turnier wären wahrscheinlich noch heute Boule-Begeisterte beim eifrigen Legen und Schießen an der Palmaille zu beobachten.

Legen und Schießen gehören zu der Fachsprache eines jeden Boulers genau wie „Sau“(die kleinere Zielkugel) oder „Loch“(Fehlwurf). Dennoch konnte selbst der uneingeweihte Elbspaziergänger nach kurzer Eingewöhnungszeit dem ungewohnten Treiben seinen Spaß abgewinnen.

Und um Spaß ging es auch in erster Linie: ein Turnier für jedermensch mit dem Ziel, einen netten Sommertag miteinander zu verbringen. Kurzentschlossene konnten sich noch bis unmittelbar vor Turnierbeginn anmelden und für einen Obolus von zehn Mark ihr Spielgeschick unter Beweis stellen. Keine Kugeln dabei? Kein Problem, der Stand des „Kugeldealers“aus Darmstadt konnte da Abhilfe schaffen. Neben Accessoirs und natürlich Kugeln in allen nur erdenklichen Ausführungen offerierte dort auch Jürgen Albers die neueste Ausgabe des au fer (zu deutsch „aus Eisen“). Der Herausgeber des „ultimativen Kugelmagazins“ist von dem Hamburger Turnier mit dem Panoramablick auf den Hafen begeistert. Besonders erfreut ist der Boule-Freund darüber, daß sich das Kugelspiel auch im frankreichfernen Norddeutschland durchzusetzen beginnt.

Nach dem ersten „Bon Jeu“um halb elf machten sich dann auch die einheimischen und angereisten Doubletten (Zweier-Teams) den ganzen Tag über daran, den etwa 700 Gramm schweren Eisenkugeln freie Flugbahn zu lassen. „Uns ist es vor allem wichtig, unseren Sport vorzustellen und ihn auch in diesen Breitengraden zu etablieren“, so Bernd Ehemann, Mitveranstalter der „Wasserspiele“. Weg wolle man von dem vorherrschenden Klischee des Baskenmützen-Baguette-Pernod-Franzosen, das das Spiel auf eine exotische Äußerung einer lockeren Lebensart reduziert.

Die 300 Zuschauer, die gegen zehn Uhr abends dem Finale unter Flutlicht beiwohnten und eine Hamburg/Darmstadt Doublette siegen sahen, wußten auf jeden Fall, woran sie waren. Allez! Daniel Ganama