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Daums Jungs gehn wieder ab

Nach dem glatten DFB-Pokal-2:0 bei Hansa Rostock wünscht sich Leverkusens mutmaßlicher Champions-League-Trainer mehr Wettbewerbe  ■ Von Jörg Winterfeldt

Rostock (taz) – Für einen echten Fan ist Fußball eine Herzenssache. Irgendwann entdeckst du sie, mit ihr deinen Verein, und fortan nimmst du an seinem Schicksal Anteil aus dem Bauch heraus. Zumeist fällt die Entscheidung schlicht aus lokalpatriotisch Zwängen: In Rostock etwa gibt es nur den FC Hansa. Während normalerweise Erfolg die Gefolgschaft für einen Verein national auszuweiten vermag, hat bei Hansa, erst 1965 gegründet, der große Gang der Geschichte das Anhängerpotential – durchaus unüblich – schlagartig angereichert.

Seit der FC Hansa sich nach der Wiedervereinigung als einziger Ex-DDR-Klub in der Bundesliga behaupten konnte, profitiert er von den nostalgischen Identifikationsgefühlen der Ost-Fans – gemeinsam geht es gegen die Übermacht der Westklubs, weil hier wie dort viele Menschen für ein Einheitsverständnis mehr brauchen als den Abriß einer Mauer.

In Leverkusen liegt die Lage anders. Den Verein gibt es zwar bereits seit 1904, nur ist er von einer Industriefirma zur Freizeitgestaltung seiner Arbeiter gegründet worden, und seine besten Fußballer haben sich erst spät zu Spitzenklassigkeit entschlossen. Weil zudem die Konkurrenz traditioneller Top-Teams am Rhein groß ist, reicht es für die Bayer-Kicker aus der Werk-Stadt gerade einmal zur lokalen Beliebtheit. Mit großen Ambitionen und üppiger materieller Ausstattung durch den Namenspatron will der Verein nun zügiger die öffentliche Anerkennung. Als in der vergangenen Woche Dinamo Tiflis den Einzug in die Champions League verhindern wollte, ließ der Trainer Christoph Daum den Kontrahenten förmlich überrennen. Da Fernsehkameras für nationale Verbreitung sorgten, glaubt Daum, „daß wir am Mittwoch viele neue Freunde gewonnen haben“. Samstag im Erstrundenspiel des DFB-Pokals in Rostock ließ er des Vereines Popularisierung weiter vorantreiben, als die Republik wiederum via Television partizipieren durfte. Viele, vermutet Daum, hätten nur drei Tage nach der Hochgeschwindigkeitspartie mit Ermüdungsfußball der Leverkusener gerechnet. „Aber nee“, jubelte der Coach, „die Jungs, die gehen wieder ab!“

Statt im Tiflis-Temporausch haben die Profis sich diesmal das 2:0 mit Aggressivität verdient. Nico Kovac erwischte Bräutigam zu weit vor seinem Tor (62.) – das war's. „Leider“, trauert der erfolgssüchtige Daum, „haben wir keinen vierten Wettbewerb, in dem wir Begeisterung erzeugen können.“

Obwohl die Rostocker nach der Niederlage nur noch in einer Konkurrenz, der Liga, vertreten sind, spendeten deren Fans unablässig eine ganze zweite Halbzeit lang Trost: „Berlin, Berlin, wir scheißen auf Berlin.“ Allerdings waren weniger zahlende Zuschauer da als noch am Donnerstag bei Warnemünde gegen Dortmund.

Strandwetter, Live-Übertragung und vier Heimspiele in einem Monat bei angespannter Finanzlage in der strukturschwachen Region – da mußte so mancher Fan- Kopf dem Herzen einfach die Gefolgschaft versagen.

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