piwik no script img

Jetzt hat sich's ausgekleckert

Wenn Tauben zuviel scheißen, rücken scharenweise Künstler an und unterstützen die Entkoter von der Stadtreinigung  ■ Von Heike Haarhoff

„Ganz Hamburg ist gespalten“, raunt Heinrich Brammann ins Telefon. Altonas oberster Hüter der Ordnung steht „vor einem ganz schwierigen Problem“. Das heißt Taube, Art Paloma urbanis oder auch vulgo Flugratte und unterliegt fast zwanghaft dem Trieb, sich über den Köpfen anderer – bevorzugt menschlicher – Wesen zu erleichtern.

Von Brückenpfeilern, weiß der Mann vom Amt für Ordnung, scheißt es besonders gern herab. Kleckert Fahrbahnen zu, macht Gehwege glitschig und zieht gebrochene Beine und andere Ausrutscher nach sich. Im Lessing-Tunnel an der Julius-Leber-Straße ist es besonders schlimm. Zu den Autolawinen, die durch den dunklen Eisenbahntunnel donnern und die Fußgänger zu vergiften drohen, kommen die Tauben erschwerend hinzu.

Toleranz oder Abschuß? Die Gesellschaft ist gespalten, „und auch ich werde Ihnen nicht sagen, zu welcher Fraktion ich gehöre“, sagt Brammann. Hat man nicht von militanten Stadttauben-Schützern gehört, die sich böse rächen, sobald auch nur ein Tauben-Abwehrnetz unter einer Brücke gespannt wird, das den Kot frühzeitig auffängt?

Furchtloser ist da die Kulturbehörde: Mögen die Jünger des Joseph Beuys auch fluchen – Taubendreck am Brückenpfeiler ist für die Behörde keine erhaltenswerte Kunst, bekennt ihr Sprecher Ingo Mix. Deswegen sponsort sie mit 10.000 Mark die sogenannten „Bautafeln“, die Künstler während des Hamburger Architektursommers (17.7.-30.9.) vor dem Lessing- und anderen Tunneln aufgestellt haben. Auf den Papp-Tafeln schlagen die Künstler vor, dem Taubenkot unkonventionell zu Leibe zu rücken. „HullaHupp: Taubenschutz aus säurebeständigem Aluminium“, lautet ein Motto; „Häschen in der Grube: Bodenbelag aus grünem Kunstrasen mit Seidenblume“eine zweite Idee. Der Kampf gegen das gurrende Federvieh soll zudem vor einem akustisch ansprechenden Hintergrund stattfinden: „Die Bahn kommt: Klanginstallation im Rhythmus an- und abfahrender Züge.“

Von soviel Engagement ist die Stadtreinigung, zu deren hoheitlicher Aufgabe die Gehwegreinigung samt Entkoten zählt, beeindruckt. Allerdings bezweifelt sie eine behördenübergreifende Zusammenarbeit: „Wir rücken schon alle drei Wochen mit unserem Taubenschießer an“, beteuert Sprecher André Möller. Dieser Hochdruckstrahler „zielt direkt auf den Kot“. 250.000 Mark jährlich kostet das professionelle „Taubenschieß“-Vergnügen an insgesamt 105 Punkten dieser Stadt.

Effektiver wären Netze unterm Brückendach, aber der Luftraum fällt in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn als Brücken-Eigentümerin, und die greift nur im äußersten Notfall ein: „Wenn die Scheiße den Pfeiler wegätzt – aber das ist noch nicht passiert.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen