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Das Schweigen der japanischen Bosse

Millionensummen zahlen japanische Unternehmen an die Mafia, damit sie Insiderwissen über Vorstände und Geschäftsgebaren nicht veröffentlicht. Hashimoto plant endlich eine Reform  ■ Aus Tokio André Kunz

Tokio (taz) – Die japanische Regierung will nun doch den Kampf mit dem organisierten Verbrechen aufnehmen. Die Liberal- Demokratische Partei (LDP) von Premier Hashimoto hat eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, die den Einfluß von Sokaiya (Firmenerpressern) auf die Wirtschaft eindämmen soll. Genötigt dazu hat die Politiker ein ausufernder Erpressungsskandal in Japans Finanzbranche. Monatelange Enthüllungen brachten einen Filz zwischen Topmanagern und Erpresserbanden ans Licht, die den Finanzplatz Tokio wieder in Verruf gebracht haben.

Angeschlagen war der Ruf der japanischen Banken ja schon seit dem Platzen der Seifenblase Anfang der neunziger Jahre, als die Aktien- und Immobilienpreise in den Keller fielen. Nur mit knapper Not konnte eine Bankenkrise verhindert werden. Nachdem Hashimoto im Oktober mit einer reformorientierten Wahlplattform ins Unterhaus eingezogen war, verkündete er schon im November eine grundlegende Reform der Finanzindustrie, um den Finanzplatz Tokio attraktiver als New York und London zu gestalten. Kaum hatte die Regierung mit der Losung „Frei, fair und global“ eine neue Transparenz auf dem Bankenplatz versprochen, flog die Kungelei zwischen dem größten Wertpapierhaus Nomura und dem berüchtigten Firmenerpresser Ryuichi Koike auf.

Verärgert forderte Hashimoto eine schonungslose Aufklärung der Affäre, bedrohte die doch seine Reformvorhaben. Nomura wechselte die Geschäftsleitung aus, der Expräsident und fünf Direktoren wurden verhaftet und angeklagt, Koike mehr als 5,6 Millionen Mark aus illegalen Aktiengeschäften zugeschanzt zu haben. Schon 1989 hatte Koike sich mit 300.000 Nomura-Aktien eingedeckt und sich damit eine gewichtige Stimme auf den Hauptversammlungen (HV) verschafft. 1995 drohte er, die HV zu stören, da er seinem Gewerbe entsprechend von verheimlichten Verlusten im Aktiengeschäft und der Beförderung von zwei umstrittenen Direktoren in den Verwaltungsrat wußte. Genug Stoff für eine Erpressung – Nomura zahlte anstandslos (siehe Interview).

Nur wenige Wochen später wurde Japans zweitgrößte Geschäftsbank Dai-Ichi Kangyo (DKB) von der Affäre erfaßt. 450 Millionen Mark hatte die Bank dem Gangster Koike ohne Sicherheiten für riskante Aktienspekulationen vorgestreckt. Auch diese Bank wurde von Koike mit Insiderwissen über Mitglieder der Geschäftsführung erpreßt. Mit einer tiefen Verbeugung trat der DKB- Vorstand Ende Mai zurück.

Als letztes Opfer des Skandals wurde die Führung des viertgrößten Wertpapierhauses Yamaichi vergangene Woche im Kameralicht öffentlich gefeuert. Auch dieses Brokerhaus hatte Koike rund 1,3 Millionen Mark aus illegalen Aktiengeschäften ausgezahlt.

Ein Ende des Skandals ist unabsehbar, denn Koike werden Verbindungen zu Hunderten von Firmen nachgesagt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits gegen zwei andere große Brokerhäuser, Nikko und Daiwa. Bislang mußten über 50 Direktoren zurücktreten. 14 geschäftsführende Direktoren, darunter zwei Expräsidenten, sind verhaftet und angeklagt.

Was bislang als „Kavaliersdelikt“ galt, das nach polizeilichen Erkenntnissen mindestens 500 Konzerne begehen, ist im Zuge der Reformen zum Hindernis geworden. Wie weit verbreitet die zwielichtigen Machenschaften noch sind, beweist die Gewohnheit aller japanischen Aktiengesellschaften ihre HV am selben Tag im Juni abzuhalten, um nicht von Erpressern gestört zu werden.

„Rund 900 Sokaiyas pressen jährlich schätzungsweise 1,8 Milliarden Mark aus japanischen Firmen“, sagt Yukihiko Inoue, ehemaliger Polizeiermittler und Spezialist für organisiertes Verbrechen. Inoue ist skeptisch – er glaubt nicht an einen erfolgreichen Kampf gegen die Mafia. „Eigentlich sind ja Zahlungen an Sokaiyas schon seit 1982 verboten, und trotzdem tun es die meisten Konzerne“, sagt Inoue. Die Polizei kann nur auf Anzeige hin eingreifen: „Freiwillig wird keine Firma Beziehungen mit dem organisierten Verbrechen zugeben.“ Die Furcht vor Vergeltungsschlägen der Mafia ist unter Topmanagern zu groß.

Die regierende LDP will dennoch durchsetzen, daß künftig Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, Erpressungsversuche der Staatsanwaltschaft zu melden. Unterläßt eine Firma diese Pflicht, muß sie mit einer Buße von umgerechnet 3,2 Millionen Mark rechnen. Gegenwärtig beträgt die Buße gerade mal 8.000 Mark.

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