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Barrieren beseitigen

■ Zwei Millionen neue Arbeitsplätze lassen sich bis zum Jahr 2010 schaffen, wenn man erneuerbare Energiequellen nutzt. Eine Studie von Eurosolar sagt, wo

Schon jetzt sind eine ganze Reihe erneuerbarer Energiequellen auch betriebswirtschaftlich wettbewerbsfähig. Allerdings wird ihr möglicher Beitrag zur Energieversorgung heruntergespielt, denn würden die Funktionäre der Stromwirtschaft anderes sagen, wären ihre Energiemonopole gesprengt.

Deshalb müssen vor allem die Marktbarrieren beseitigt werden. Sich allein auf die „Marktkräfte“ zu verlassen, genügt wegen der energiewirtschaftlichen Monopolstruktur und ihrer Verfilzungen mit politischen Institutionen nicht.

Eurosolar hat jetzt die Bedeutung der regenerativen Energien für den Arbeitsmarkt untersucht. In einer Studie kommt die Europäische Sonnenenergievereinigung zu dem Ergebnis, daß bis zum Jahr 2010 zwei Millionen neue Arbeitsplätze entstehen würden, wenn sich der Anteil erneuerbarer Energien am Verbrauch in der Europäischen Union verdreifachen würde. Gegenwärtig liegt er bei 7,9 Prozent. Kalkuliert wurden die in den letzten Jahren erzielten Steigerungsraten und ihr Arbeitsplatzpotential bis zum Jahr 2010.

Windkraft. Gegenwärtig sind in der EU 3.500 Megawatt (MW) installiert. Selbst wenn es bis 2010 nur eine Steigerung um 12 Prozent pro Jahr geben würde (1996 waren es 25 Prozent), wären wir im Jahr 2010 bei 30.000 MW. Für das Jahr 2010 zeigt sich eine Jahresproduktion für Neuanlagen von 5.000 MW einschließlich 2.000 MW für den Export. Dies bedeutet 140.000 Arbeitsplätze (gegenwärtig sind es 35.000).

Photovoltaik. Unterstellt wird eine jährliche Steigerungsrate der Produktion von 33 Prozent. Diese ergibt sich allein schon heute durch die neuen japanischen und amerikanischen Initiativen. Europa wird als Produzent nur durch vergleichbare Programme dagegenhalten können. Weltweit kann 2010 mit einer Jahresneuproduktion von 4.600 MW gerechnet werden, der europäische Anteil daran wird 1.500 MW betragen. Insgesamt werden dann Solarzellen 20.000 MW Strom liefern, davon 6.700 MW in der EU. Dies ergäbe 157.000 Arbeitsplätze. Ohne EU- Produzenten wären es allerdings etwa ein Drittel weniger, weil sich die Arbeit in Europa auf die Installation und Wartung importierter Anlagen beschränken würde.

Biomasse. Derzeit deckt Biomasse 3 Prozent des Energieverbrauchs der EU. Für die EU insgesamt legen wir bis 2010 die gegenwärtigen Beiträge zur Biomasse von Österreich und Dänemark zugrunde sowie deren gezielten Einsatz in Kleinanlagen zur Kraft- Wärme-Kopplung. Daraus ergäbe sich ein Versorgungsanteil von 6,7 Prozent mit 822.000 Arbeitsplätzen in nachhaltiger Land- und Forstwirtschaft.

Solares Heizen und Kühlen. Die gegenwärtige Jahresproduktion an solarthermischen Anlagen beläuft sich auf 500.000 Quadratmeter Solarkollektoren. Wenn nun auf alle EU-Länder die jährlichen Installationsraten von Österreich übertragen würden, ergäbe dies bis 2010 eine Jahresproduktion von 10 Millionen Quadratmeter. Ergänzt um Wärmepumpen für Wärme und Kühlung, entstünden 97.000 neue Arbeitsplätze.

Solarenergie passiv. Durch die passive Nutzung von Solarenergie lassen sich etwa 5 Prozent des heutigen Energieverbrauchs sparen. Durch Verordnungen für Neubauten nach Schweizer Standard sowie steuerliche und finanzielle Anreize für Nachrüstungsbedarf könnten bis zum Jahr 2010 alle Fenster und Fassaden energetisch verbessert werden, was allein zur Neueinstellung von 880.000 Beschäftigten führen würde.

Durch diese Schritte würde im Jahr 2010 der Beitrag der erneuerbaren Energien an der Versorgung von 106 Millionen Tonnen Öläquivalenten in der EU auf 310 Millionen Tonnen gesteigert werden, mithin auf 20 Prozent – gemessen am heutigen Energieverbrauch: Der Beitrag der Windenergie betrüge 13 Millionen Tonnen, Wasserkraft läge bei 15, Photovoltaik bei 0,8 Millionen Tonnen, Biomasse bei 100 Millionen Tonnen und Solarthermie in Gebäuden bei 6,1 Millionen Tonnen. Schon das wären nahezu 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze, davon 230.000 für Exportleistungen. Mit der Mobilisierung passiver Solarenergienutzung wären es 2 Millionen – mehr, als die gesamte europäische Energiewirtschaft heute beschäftigt. Konventionelle Primärenergie wird durch Solartechnologie sowie arbeitsintensive Land- und Forstwirtschaft abgelöst.

Dies wäre die Basis für eine darauffolgende noch schnellere Entfaltung der erneuerbaren Energiequellen. Hinzu kommt ein breites Spektrum von Technologien zur Gewinnung von Strom aus Erdwärme, Wellenkraft mittels Meeresströmungen und Gezeiten. Wenn wir diese Chancen erkennen und die energiewirtschaftlichen Barrieren beiseite räumen, kommt die Solarenergie unaufhaltsam in Fahrt. Irm Pontenagel

Die Autorin ist Geschäftsführerin der Europäischen Sonnenenergievereinigung Eurosolar.

Die Studie „Zum wirtschaftlichen Stand der Erneuerbaren Energien in der EU und ihrem Arbeitsplatzpotential“ kann bestellt werden bei Eurosolar, Plittersdorfer Straße 103, 53173 Bonn. Kosten: 15 DM zzgl. 3 DM für Versand.

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