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Roter Afghan für die Taliban

Die Islamisten in Kabul verdienen am Verkauf von Opiummohn. Dieses Jahr dürfen sie sich auf eine Rekordernte des Heroingrundstoffs freuen  ■ Von Thomas Ruttig

Berlin (taz) – Fliegt man im Frühjahr über das ansonsten khakifarbene Afghanistan, springen einem riesige leuchtend rote Felder ins Auge: blühender Opiummohn. Die UNO geht davon aus, daß in diesem Jahr mit etwa 2.500 Tonnen eine Rekordernte eingebracht wird. Schon 1996 kamen mit 2.200 Tonnen 40 Prozent der Weltproduktion aus Afghanistan. Zu Heroin raffiniert, gelangt es auf den Weltmarkt.

Fast 95 Prozent der Ernte kommt aus den von den Taliban kontrollierten Gebieten – obwohl diese islamisch-nationalistische Endzeitbewegung den Drogenkonsum als „unislamisch“ ablehnt. Als die Taliban Ende 1994 auf dem afghanischen Kriegsschauplatz auftauchten, erwarben sie sich im Westen einiges Wohlwollen, als sie Mohnernten verbrannten und als Heroinhändler bekannte Mudschaheddin-Kommandanten aufknüpften. Bald aber begannen sie, die lukrative Finanzquelle für die eigene Kriegskasse zu nutzen. Einer ihrer Sprecher erklärte gar, die Taliban hätten nichts gegen Drogen, wenn sie von „Ungläubigen“ im Westen konsumiert werden.

Dieses Jahr steht in Afghanistan noch eine zweite Rekordernte ins Haus: Mit 3,7 Millionen Tonnen erwartet das UN-Welternährungsprogramm (WFP) die beste Getreideernte seit Ausbruch des Krieges 1978. Aber das ist immer noch viel zuwenig. In den nächsten Monaten brauche das Land 170.000 Tonnen an Nahrungsmittelhilfe, heißt es vom WFP. Fast zwei Millionen Afghanen, etwa ein Zehntel der Gesamtbevölkerung, seien weiterhin darauf angewiesen: Arme, Kranke, Flüchtlinge und alleinstehende Mütter. Neben der Nothilfe müsse die afghanische Regierung 710.000 Tonnen Getreide von Pakistan und dem Iran kaufen, um die städtische Bevölkerung und zurückgekehrte Flüchtlinge ernähren zu können. Und Afghanistans Bauern werden solange zuwenig Getreide anbauen, wie dessen Verkauf viel weniger Gewinn einbringt, als der von Schlafmohn.

Das alles hat die UNO und die USA auf den Plan gerufen. Auf ihren Druck hin erklärten sich die Taliban bereit, ein UN-Drogenkontrollprogramm zu unterstützen. Mit 16 Millionen US-Dollar in den nächsten vier Jahren sollen Bauern dazu bewegt werden, auf Obst oder Hülsenfrüchte umzusteigen. Ein ähnliches Programm der US-Regierung war 1992 allerdings schon einmal gescheitert, als man einen wichtigen Mudschaheddin-Kommandeur mit erheblichen Geldzusagen dazu brachte, in seinem Gebiet den Mohnanbau zu unterbinden. Als das Geld ausblieb, ließ er im folgenden Jahr die Anbaufläche verdoppeln. In New York sollte man also gewarnt sein.

Anfang der Woche verbreiteten die Taliban über ihr Radio Scharia ein Dekret, das den Anbau, Verkauf und die Verwendung von „Haschisch und Heroin“ bei Strafe verbietet. Das Wort „Opiummohn“ allerdings kommt nicht vor. Die darauf erhobenen Steuern sind eine der wichtigsten Finanzquellen der Taliban. Zwischen 20 bis 40 Millionen Dollar sollen sie jährlich am indirekten Drogengeschäft verdienen. Thomas Ruttig

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