: Mit Körper ist kein Krach zu machen
Aus dem alltäglichen Leben eines Bonner Hinterbänklers: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Rudolf Körper ist in Bonn ein Niemand, in seinem Wahlkreis zu Hause jedoch eine „Lichtgestalt“ ■ Von Markus Franz
Langsam rollt das Auto über das Kasernengelände. Fritz Rudolf Körper sucht auf dem weitläufigen Gelände des Fliegerhorstes Bad Sobernheim/Pferdfeld nach dem Festsaal. Heute wird die Verlegung des Standorts in das ostdeutsche Laage begangen. Im Gleichschritt kommt eine Gruppe Soldaten vorbei. Der SPD-Bundestagsabgeordnete stoppt, kurbelt das Fenster herunter und ruft: „Grüß dich, mein Lieber. Am Wochenende komme ich zu eurem Feuerwehrfest.“ Erst dann fragt er nach dem Weg. Der Oberfeldwebel, gleichzeitig ehrenamtlicher Bürgermeister von Krummenau und Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, strahlt über beide Backen.
In seinem Wahlkreis Bad Kreuznach/Birkenfeld, 150 km westlich von Mainz, kennen ihn die Leute, und er kennt sie. In Bonn kennt ihn kaum einer. Dabei ist Fritz Rudolf Körper immerhin innenpolitischer Sprecher der SPD- Fraktion und Mitglied des Fraktionsvorstands. Mit dem 42jährigen lassen sich keine Schlagzeilen machen in Bonn. Nach drei Jahren als innenpolitischer Sprecher finden sich im Bundestagsarchiv kaum mehr als 50 Artikel, in denen er erwähnt wird, allerdings wird er fast immer erst an zweiter Stelle genannt. Beim Lauschangriff und der Modernisierung des Staates nach dem Fraktionsvize Otto Schily. Bei der Ausländerpolitik nach der ausländerpolitischen Sprecherin Cornelie Sonntag-Wolgast. Bei der Drittstaatenregelung nach Detlev von Larcher.
Was bleibt den Journalisten auch anderes übrig? Mit Körper ist einfach kein Krach zu machen. Als Bundesinnenminister Manfred Kanther die Pensionsabgabe für Beamte vorstellte, sprach Körper von einem „sehr bedenkenswerten Ansatz“. Die Überprüfung von Scientology hielt er für „problematisch“. Das Asylrecht sah er „in seinen Grundzügen bestätigt“ und bot der Bundesregierung „Mithilfe für die erforderlichen Nachbesserungen“ an.
Einmal erreichte er öffentliche Aufmerksamkeit. Aber nur gegen seinen Willen. Er sprach von einer grundsätzlichen Einigung mit der Koalition beim großen Lauschangriff. Schily wies ihn öffentlich zurecht: „Die Verhandlungsführung liegt bei mir. Der Kollege war nicht legitimiert.“ Das ist ein gefundenes Fressen für die Medien. Leider will sich der evangelische Theologe Körper nicht zu dem Betragen Schilys äußern. Nicht mal vertraulich. Statt dessen redet er davon, daß man das System der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden (6) und der Fraktionssprecher (22) reformieren sollte. „Die Verantwortung sollte da liegen, wo die Arbeit gemacht wird“, sagt er und schon im nächsten Moment tut ihm leid, das Thema überhaupt angeschnitten zu haben.
Zum Glück gelten im Wahlkreis andere Regeln. Hier gilt Körper, der 44,8 Prozent der Stimmen erreicht hat, als eine „Lichtgestalt“ – so eine Lokalreporterin seines Wahlkreises. Er gehe auf alle ein, sei freundlich, kooperativ, gebe viele Presseerklärungen heraus und sage zu allem etwas. Was er denn erreicht habe? Das weiß sie nicht so genau. Ein älterer Herr weiß mehr: Körper habe sich in Bonn erfolgreich für den Straßenbau eingesetzt. In Weierbach wird jetzt eine Umgehungsstraße gebaut und dadurch ein Gewerbegebiet erschlossen.
Der Vater von zwei Kindern vernachlässigt auch die Wähler und Wählerinnen von morgen nicht. In Idar Oberstein läßt er sich im Ortszentrum von drei Schulklassen befragen. Dafür hat er das Bundestagsmobil, ein rollendes bundeseigenes Infozentrum, in den Ort geholt. „Ich finde das eine gute Idee, daß das Mobil nach Idar Oberstein gekommen ist“, sagt Körper zur Begrüßung der Achtkläßler einer Hauptschule.
Zwischendurch grüßt er von der Bühne aus überschwenglich seinen „lieben Wolfgang“, der gerade vorbeikommt und ruft einem anderen Passanten fröhlich zu: „Hallo, schöne Grüße.“ Bei seinen Antworten an die Schüler setzt der Abgeordnete nicht eben wenig voraus. Sätze fallen wie: „Leider hat uns das Bundesverfassungsgericht untersagt, unser Gehalt an den Tarifvertrag ÖTV anzukoppeln.“ Immer sachlich bleiben.
Ein Schüler greift ausgerechnet den SPD-Politiker an, in Deutschland herrschten bald amerikanische Verhältnisse, die Löhne würden immer niedriger und dazu noch die Sozialleistungen gekürzt. Körper versagt sich, den Schwarzen Peter an die Regierung weiterzureichen. Statt dessen stimmt er freundlich zu und sagt: „Deswegen ist die SPD ja auch gegen die 610-Mark-Jobs.“ Das wirkt zwar dröge, aber dafür ist seine Körpersprache um so lebhafter. Er wippt mit den Beinen, nickt mit dem Kopf, wirbelt mit den Armen und redet mit munter auf- und abschwellendem Tonfall.
Und so kommentiert eine Hauptschülerin hinterher das Gesagte zwar mit „laber, laber“. Persönlich aber findet sie den Bundestagsabgeordneten „sehr nett“. Auch ein 18jähriger Gymnasiast hält Körper für „sehr nett“. Viel Konkretes habe er allerdings nicht gesagt. Doch ist Sympathie nicht die Hauptsache? Körper macht keinen Hehl daraus, was er sich von solchen Veranstaltungen verspricht: „daß ich meinen Bekanntheitsgrad steigere“.
In Bonn wird ihm das wohl nie gelingen. Was ist dort schon von einem Mann zu halten, der in einer Pressekonferenz vorschlägt: Entweder sollte der Zuzug von Aussiedlern beschränkt werden, oder es müsse mehr Geld für ihre Integration ausgeben werden? Wie soll man daraus nur eine Überschrift machen?
Körpers Referent, Wolfgang Zeisig, sieht für dessen Öffentlichkeitswirksamkeit in Bonn schwarz. Es seien zu viele in der Rangliste der Parteihierarchie vor ihm. „Da ist es schwer, sich mit differenzierenden Positionen durchzusetzen“. Er sei eben Theologe. Das könne man nicht ändern.
Körper fühlt sich trotzdem wohl in seiner Rolle. In Bonn könne er viel mehr bewirken als im Landesparlament, sagt er. Die Umgehungsstraße in Weierbach habe er ganz inoffiziell gefördert. „Ich bin zum Verkehrsministerium gegangen“, erzählt er, „und die haben mich gebeten, bloß keinen öffentlichen Wirbel darum zu machen.“ Aus einigen Gemeinden seines Landkreises weiß er, daß dort der Anteil an Aussiedlern überproportional groß ist. Mit dem damaligen Staatssekretär im Innenministerium, Horst Waffenschmidt, hat er über eine verhältnismäßigere Verteilung verhandelt. Und tatsächlich: Das Wohnortzuweisungsgesetz wurde geändert.
Doch für all das gilt, was Fraktionschef Rudolf Scharping über Körpers Antrag zur Modernisierung der öffentlichen Verwaltung gesagt hat: „Sehr schön. Das merkt nur keiner.“
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