: Keine Karriere ohne VIVA und taz
■ Zum Bremer Start des Spielfilms „Obsession“sprach die taz mit der Schauspielerin Heike Makatsch und dem Regisseur des Spielfilms, Peter Sehr
Lauter sympathische und interessante Menschen stellt uns Peter Sehr in seiner Berliner Version von „Jules & Jim“vor: Sein Jules ist John, der Brite mit afrikanischem Pass, der glaubt, auf einem verlorenen Stück Film das Geheimnis seiner Familie zu finden, sein Jim ist ein französischer Wissenschaftler, der an pochenden Herzen nach dem Geheimnis des Lebens sucht. Und Heike Makatsch spielt eine forsche Musikerin zwischen den beiden so charmant und natürlich, daß man ihr eine Zeitlang gerne in die Untiefen einer Dreiecksgeschichte folgt. Zudem gibt es noch ein schön gezeichnetes Brüderpaar von deutschen Juden, die rührend-komische bewegliche Puppen konstruieren und wie gute Engel über die Liebenden wachen. So lange Peter Sehr den Film mysteriös-poetisch schweben läßt, folgt man ihm willig und fasziniert. Bei der dann doch sehr konventionell erzählten Liebensgeschichte verpuffen die schönen Regie-Idee dann leider immer öfter.
taz: War es unbedingt nötig, die vielen liebevollen Details und Milieuschilderungen in noch eine Dreiecksgeschichte zu verpacken?
Sehr: Letzlich gibt es ja nur fünf Grundgeschichten, die wir uns immer wieder erzählen. Es wäre vermessen von mir, wenn ich den Anspruch hätte, etwas völlig Neues zu machen. Wenn man über das gleiche Thema zu einer anderen Zeit spricht, wird man es ganz anders darstellen. Wenn Sie „Obsession“etwa mit „Jules & Jim“vergleichen, dann haben wir eine völlig andere Frauenfigur. Auch durch die Art der Darstellung und die Spielorte verändert sich Wesentliches, und das junge Kinopublikum von heute kennt etwa Faßbinder oder Truffaut nicht mehr. Deswegen denke ich, daß mit jeder Generation bestimmte Themen wieder neu behandelt werden können.
taz: Frau Makatsch, war Ihnen bewußt, daß Sie hier etwas ähnliches machten wie Jeanne Moreau vor über dreißig Jahren?
Makatsch: Ne, ich hab den Film nie gesehen.
taz: Kommt Ihnen ihr Weg vom Studium der Soziologie, Politik und Medienwissenschaften zur Hauptrolle in einem Spielfilm nicht auch sehr abenteuerlich vor?
M.: Eigentlich wollte ich in Berlin ja ein Volontariat bei der taz machen. Da habe ich mich ganz ernsthaft beworben, während ich bei MTV und VIVA eher aus Spaß zum Casting gegangen bin.
S.: Wenn die taz Dich nicht abgelehnt hätten, würdest Du bei diesem Interview vielleicht die Fragen stellen, statt zu antworten.
M.: Genau! Da sind bei mir Dinge passiert, durch die Weichen gestellt wurden, ohne daß ich das so angestrebt habe. Ich bin da halt so entlanggestapft.
taz: Im Presseheft des Films wird verlautet, daß Sie jetzt ins „ersthafte Schauspielfach“gewechselt sind. Kommt Ihnen das nicht auch leicht pretentiös vor?
M.: So würde ich das auch sagen. Dies ist natürlich ein anderer Film als „Männerpension“. Das bedeutet aber für mich keine grundsätzlich andere Herangehensweise oder Herausforderung. In „Obsession“hatte ich halt jemanden, der mir für die Rolle zeigte, wie ich eine Trompete richtig halten muß. In „Männerpension“hatte ich jemanden, der mir beibrachte, wie man am besten lispelt. Natürlich gab es auch Unterschiede. Der Peter hat viel öfter geprobt, hat mir seine Ideen mit viel mehr Liebe zum Detail vermittelt und drosselte mich oft, wenn ich einfach so ungehemmt in die Szene springen wollte. Bei Detlev Buck haben wir meist frei improvisiert, und er hat dann danach die Szenen nochmal umgeschrieben.
taz: Nach diesem Film hat man den Eindruck, Sie wollten sich von ihrem Girlie-Image und den Bravo-TV-Fans verabschieden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
M.: Bei einer Vorstellung des Films vor ein paar Tagen war das Kino gefüllt mit Kids so zwischen 13 und 17 Jahren, und ich hab mich so gefreut, daß die alle da waren. Ich weiß nicht, wie die jetzt diesen Film finden, aber ich bin stolz, wenn die mich noch mögen. Ich hab mich da ja nicht rausgestrampelt, um mit diesem Publikum nichts mehr zu tun zu haben, sondern es wurde mir einfach langweilig, immer wieder „Caught in the Act“anzusagen.
S.: Als wir mit dem Drehen begonnen haben, hat die Heike öfters in die Kamera geschaut. Sie hatte da noch so einen Reflex, immer zu den unsichtbaren Zuschauern hinzusprechen. Daran kann man schön ihre Entwicklung erkennen: Indem sie lernte, zehn Zentimeter neben die Kamera zu schauen, spielt sie jetzt intensiv für jeden einzelnen Zuschauer vor der Leinwand und nicht für die Millionen vor den Fernsehern. Wilfried Hippen
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