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Flüchtlinge im Hungerstreik

■ Kurdische Asylbewerber protestieren gegen schäbige Unterbringung. Ihre Aktion läßt die Volksseele kochen

Plettenberg (taz) – Kein Wort von Brigitte Hermann ist zu verstehen. Die grüne Landtagsabgeordnete wird niedergebrüllt: „Grüne und Scheinasylanten raus“ rufen sie und stimmen ein Lied an – „Muß i denn zum Städele hinaus“. „Haut ab, ihr Arschgeigen“, rufen sie oder skandieren: „Aufhören, aufhören!“

Wie zwei feindliche Lager stehen sie sich am Samstag in Plettenberg im Sauerland gegenüber: Hier die Gruppe kurdischer Asylbewerber samt mit ihren zwei Dutzend deutscher Sysmphatisanten, dort, nur zehn Meter entfernt, die gut hundert vor Wut rasenden, zumeist älteren Männer und Frauen, die jedem ins Ohr brüllen, „daß 90 Prozent in Plettenberg so denken wie wir“. Mit Bravo-Rufen lassen sie die Stadtverwaltung hochleben, weil die sich nun schon seit fast vier Wochen gegenüber den kurdischen Hungerstreikenden stahlhart zeigt. Ein unnachgiebiger Kurs, der am vergangenen Donnerstag von den politischen Parteien im Rat der 30.000 Einwohner zählenden Stadt – SPD, CDU und UWG – noch einmal einstimmig befürwortet wurde.

Ein Verhalten, das der grüne Landtagsabgeordnete Siggi Martsch angesicht der „minimalen Forderungen der Hungerstreikenden“ als „ungeheuerlich borniert“ bezeichnet, denn „dadurch wird die Lage hier dramatisch zugespitzt und der Boden für rechtsradikale Gruppen geradezu bestellt“. Demonstrationsankündigungen der rechten „Republikaner“ zeugen davon, daß die Saat aufzugehen droht. Dabei wäre ein Kompromiß leicht zu finden. Ein paar zusätzliche Duschen und wenige Quadratmeter Wohnraum mehr für besonders bedrängte Familien, die zum Teil mit sechs Personen auf 23 Quadratmeter leben, würden die Situation schon entspannen. Darüber hinaus fordern die Hungerstreikenden eine menschlichere, freundlichere Behandlung in den Amtsstuben der Stadt und Bargeld statt Wertgutscheine für den Lebensunterhalt.

„Flüchtling zu sein, bedeutet hier wie unter Bedingungen des letzten Jahrhunderts zu leben“, sagt Günham Muslim, der sich seit dem 4. August am Hungerstreik beteiligt. Zur Zeit teilen sich über 250 Flüchtlinge acht Duschen – und die sind nicht einmal abschließbar. „Insgesamt“ sei die Unterbringung in Plettenberg „deutlich schlechter als in anderen Flüchtlingsheimen der Region“, weiß Gertrud Golian, die für die Bündnisgrünen im Kreistag sitzt und sich besonders um Flüchtlinge kümmert.

Hans Pühl, erster Beigeordneter der Stadt, weist diese Darstellung zwar zurück, aber viele sachkundige Bürger aus dem Umland, wie etwa Yasin Kut vom Ausländerbeirat im nahegelegenen Lüdenscheid, bestätigen die Golian- Aussagen. Im persönlichen Gespräch spricht Pühl zwar auch von „schwierigen Bedingungen“ in dem Heim, „die ich bedaure“, aber es fehle der Stadt eben an Mitteln, um die Situation zu verbessern.

Daß es nicht ums Geld geht, zeigt indes die Gutscheinregelung. Unumwunden räumt Pühl ein, daß es für die Stadt „einfacher und billiger“ wäre – die Rede ist von 25.000 Mark im Jahr – die Hilfe für den Lebensunterhalt in bar auszuzahlen. Doch die Gutscheine, die in vielen Städten und Gemeinden in NRW längst wieder abgeschafft wurden, seien auch ein „Mittel zur Kontrolle“ der Asylbewerber, auf das die Stadt nicht verzichten wolle.

Morgen will Hans Pühl, der Beigeordnete, mit den Hungerstreikenden zwar reden, aber für einen anderen Kurs sieht er keine Chancen, „denn die Bevölkerung macht das hier nicht mit“. Walter Jakobs

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