Kain und Abels Erbe

■ Mann versuchte Halbbruder Erbe aufzudrängen / Zu Tode gewürgt

Rainer B. ist gestorben, weil er seinem Bruder Jörg unbedingt die Hälfte des Geldes und eine Beteiligung an einer Eigentumswohnung ihrer Mutter aufdrängen wollte.

Nach dem Tod ihrer Mutter nimmt der verstorbenen Rainer B. 1996, nach dreißig Jahren, mit seinem in Bremerhaven lebenden Bruder Jörg Kontakt auf. Das Gespräch kommt auf das Erbe der Mutter. Der Angeklagte Jörg B., seit zwölf Jahren arbeitslos, will das Erbe nicht haben.

Jetzt steht er vor Gericht, weil er, mit etwa 2,3 Promille im Blut, seinem Bruder zwei Orangensaft-Flaschen über den Kopf gesschlagen und ihn in den Schwitzkasten genommen haben soll, bis dieser starb.

Am Tattag, dem 23.3. 1996 treffen die beiden Brüder zum zweitenmal aufeinander. Feucht-fröhlich soll der Geburtstag von Zeuge M., einem Freund der Familie, begossen werden. Er habe extra vier Flaschen Wodka, 58 Dosen Bier und zwei Flaschen Orangensaft besorgt, zählt der Angeklagte auf. Mit dabei sind außerdem die getrennt lebende Ehefrau von Jörg B., in deren Wohnung gefeiert werden soll und Christine A., eine der drei Töchter des Ehepaars, mit ihren zwei kleinen Kindern. Die beiden Brüder bechern Wodka. Als wieder vom Erbe die Rede ist, rastet Rainer B. aus, weil die Familie erneut ablehnt. „Ich mach euch alle platt!“droht er.

Er sei ihr plötzlich an den Hals gegangen, erzählt Christine A. leise, und habe sie mit beiden Händen so gewürgt. Ihr Vater sei ihr zur Hilfe gekommen. Um den Onkel von ihr herunter zu bekommen, habe ihr Vater mit einer O-Saftflasche auf dessen Schädel geschlagen, daß die Flasche zersprungen sei. „Rainer hat sich dann mit meinem Vater geprügelt.“Sie habe zu schlichten versucht. Wie paralysiert sitzt die 28jährige da, keine Geste unterstützt ihre Aussage. Beide Kampfhähne hätten sich aber schnell wieder beruhigt. Danach sei Rainer B. unvermittelt wieder auf sie losgegangen und habe sie gewürgt. Ihr Vater habe dann die zweite Flasche Orangensaft genommen und abermals auf den Schädel seines Bruders eingeschlagen. Danach habe er den Onkel in den Schwitzkasten genommen. „Ich bin schnell in den Hausflur gelaufen und habe bei den Nachbarn geklingelt. Als mir keiner aufgemacht hat, bin ich zur Telefonzelle gerannt und habe die Polizei angerufen.“Als sie wieder in die Wohnung gekomen sei, habe ihr Vater seinen Bruder immer noch gehalten, der habe sich aber nicht mehr gewehrt, erinnert sie sich. Die Angaben seiner Tochter hört er, steif mit seinem Rücken auf der Anklagebank ins Eck gedrückt, ohne sichtbare Regung an. Es scheint fast, als betreffe den Mann mit der Nase eines Boxers die Schilderung des Tathergangs gar nicht. Aber als seine Ehefrau in den Zeugenstand gerufen wird, spannt sich sein ganzer Körper bis aufs Äußerste. Als diese die Aussage verweigert, fällt der Angeklagte in sich zusammen und ein lauter Seufzer entfährt seinem Mund.

Der Zeuge M. will nichts so richtig mitbekommen haben. Er gibt an, zwischendrin habe er den Raum verlassen, um Frau B. „beim Herrichten von Schnittchen“zu helfen. In der Streitpause habe man dann zusammen Häppchen gegessen. Auf ungläubige Nachfrage des Gerichts: „Sie wollen uns sagen, erst wurde sich geprügelt, dann wurden friedlich miteinander Schnittchen gegessen?“wiederholte er seine Angaben. Im Vernehmungsprotokoll hatte er noch ausgesagt, der Angeklagte habe auf seinen am Boden liegenden Bruder mit der ersten Flasche eingeschlagen, dann habe er mit den Worten:“Da hast du noch eine Flasche!“auch die zweite Orangensaft-Flasche auf dem Kopf von Rainer B. zerschellt.

Die Zeugin B., eine Nachbarin, will nur einen Mann am Boden liegen sehen haben, nachdem sie, kurz vor dem Eintreffen der Polizisten, durch die offenen Haustür geschaut“hat. Der Prozeß wir fortgesetzt. kk