■ Kommentar: Wählerquäler
Gemeinhin suchen nur so verzweifelte Splittergruppen wie die FDP Antwort auf die Frage nach dem eigenen Sein, nicht aber Kuponschneider stetig steigender Oppositionsaktien wie Bündnis 90/Die Grünen. Zumal ja die Antworten auf die Frage, was wir wollten, was wir wurden, durchaus verstörend sein können, wie die Forsa-Analyse bestätigt. Daß die Grünen eine Partei des öffentlichen Dienstes sind, das läßt sich auf jedem Parteitag beobachten. Zu denken sollte es den Grünen aber geben, daß sie auch mentalitätsmäßig mit der Beamtenschaft am meisten gemein haben. Und die steht nun nicht gerade für Veränderungen, sondern für Beharrung.
Die Bündnisgrünen sind wohl die einzige Partei, die gegen die Interessen ihrer WählerInnen agieren kann. Das ehrt die Partei – und schadet ihren Wählern auch nicht. Die sind so gut betucht, daß sie es gut finden können, den Menschen mehr Multikulti zu verordnen, weil sie selber wegziehen, um ihren eigenen Kindern leistungsgerechtere Schulen am Stadtrand zu sichern. Doch dies lebensgeschichtlich gewachsene Werteverständnis hat Grenzen. Wer dies nicht beachtet, kann unverhofft in die Klemme geraten. Sind es doch beipielsweise die Bündnisgrünen, die bei der Sanierung des Landeshaushalts durchaus bereit sind, Privilegien des öffentlichen Dienstes zu kappen, und selbst vor betriebsbedingten Kündigungen nicht zurückschrecken. Bislang tragen die eigenen WählerInnen dies mit Fassung. Je realistischer eine grüne Senatsbeteiligung wird, desto klarer werden die Bündnisgrünen formulieren müssen, was sie ihrer eigenen Klientel anzutun bereit sind. Ansonsten könnte es bei der Wahl eine böse Überraschung geben. Gerd Nowakowski
Interview Seite 18
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