: Kartoffelschädling oder nur harmloser Rauch?
■ Kuba wirft den USA einen Verstoß gegen die B-Waffen-Konvention vor
Genf (taz) – Haben die USA über Kuba von einem Fluzgeug aus Pflanzenschädlinge abgesprüht? Mit dieser Frage befassen sich derzeit die 140 Vertragsstaaten der Konvention über das Verbot biologischer Waffen in Genf. Die vertraulichen Beratungen über die von Kuba behauptete Verletzung der Konvention durch die USA waren am Montag abend unterbrochen und gestern fortgesetzt worden. Es sind die ersten Beratungen über einen angeblichen Verstoß, seit die B-Waffen-Konvention im März 1975 in Kraft trat. Daß die Delegation aus Washington mit ihrem Bemühen scheiterte, die Beratungen auf einen Tag zu begrenzen, wird von Teilnehmern als Niederlage der Clinton-Administration gewertet. In der Sache ist allerdings noch alles offen.
Die Regierung in Havanna beschuldigt die USA, am 21. Oktober 1996 den Pflanzenschädling „Thrips palmi“ über Kuba abgesprüht zu haben. „Thrips Palmi“ gehört zur Familie der Gewitterfliegen und kann erhebliche Schäden bei Kartoffeln und anderen Nutzpflanzen anrichten. Der Schädling befindet sich auf einer Liste möglicher biologischer Waffensubstanzen, über die gegenwärtig bei einem Expertentreffen zur Stärkung der B-Waffenkonvention beraten wird.
Nach Darstellung Havannas beobachtete die Besatzung einer kubanischen Verkehrsmaschine, wie ein auf das State Departement in Washington zugelassenes Kleinflugzeug vom Typ S 2RHRG-65, das üblicherweise zur Schädlings- und Drogenbekämpfung aus der Luft eingesetzt wird, „insgesamt siebenmal eine unbekannte Substanz versprühte“. Die kubanische Maschine befand sich zum Zeitpunkt des Vorfalls 300 Meter unterhalb des US-Flugzeugs, das Kuba mit Genehmigung der Luftfahrtbehörden in Havanna überflog und auf dem Weg vom US- Bundesstaat Florida zu einem Drogenbekämpfungseinsatz in Kolumbien war.
US-Delegationsleiter Donald Mahley sprach in Genf vor Journalisten von „haltlosen Vorwürfen“ Kubas. Doch im „Geiste der Zusammenarbeit“ nehme Washington an den Genfer Beratungen teil, um „Unklarheiten und technische Mißverständnisse zu beseitigen“.
In einer vertraulichen schriftlichen Stellungnahme gegenüber den Vertragspartnern der B-Waffenkonvention erklären die USA, ihr Flugzeug habe schon deshalb nicht „Thrips palmi“ oder andere giftige Substanzen über Kuba versprühen können, weil es gar keine an Bord gehabt habe. Das Flugzeug habe lediglich harmlosen Rauch ausgestoßen. Auf diese Weise habe der um einen Zusammenstoß besorgte US-Pilot die herannahende kubanische Verkehrsmaschine auf sich aufmerksam machen wollen. Deren Besatzung habe zuvor auf andere in der Luftfahrt übliche Signale (Flügelwackeln etc.) „nicht reagiert“.
Die kubanische Chefdelegierte Maria de Los Angeles Flores äußerte in Genf erhebliche Zweifel an der Version Washingtons. Das Ablassen von Rauch sei „ein nach allen Regeln der Luftfahrt völlig unübliches Verfahren“. Nach ihren Angaben trat die bis dato in Kuba unbekannte Thrips-Plage zwei Monate nach dem Zwischenfall – und damit entsprechend der für diese Gewitterfliege üblichen Brutzeit – auf einer Kartoffelfarm in der Provinz Matanzas auf und verbreitete sich inzwischen auf Kartoffelfelder in sechs weiteren Provinzen. Andreas Zumach
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