: Merkel preist wirkungsloses Gesetz
Ende der Ozonsaison: Grenzwerte langten nicht für Fahrverbote. Etliche Ausnahmeregeln nehmen dem Gesetz die Schlagkraft. Umweltministerin verweist auf noch lascheres EU-Recht ■ Von Gudrun Giese
Berlin (taz) – Zu Fahrverboten langte es in der zu Ende gehenden Sommersmog-Periode kein einziges Mal. Obwohl sich landauf, landab Menschen die ozongereizten Augen rieben, erwies sich einmal mehr: Das seit 1995 geltende Sommersmoggesetz ist ein Papiertiger.
Dabei ist man im Hause von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) ausgesprochen stolz auf das Gesetzeswerk. Schließlich sieht es strengere Grenzwerte für die Warnung der Bevölkerung sowie für die Verhängung von Fahrverboten vor als die EU-Richtlinie. Tatsächlich kennt das EU-Recht gar keine Fahrverbote. Und vor den gesundheitsschädlichen Folgen des Reizgases Ozon in der Atemluft soll die Gesamtbevölkerung erst bei 360 Mikrogramm pro Kubikmeter gewarnt werden.
Das Merkel-Gesetz dagegen sieht Fahrverbote vor – ab 240 Mikrogramm Ozonkonzentration pro Kubikmeter Luft. Interessanter sind freilich die vielfältigen Randbedingungen, die ein Fahrverbot nahezu ausschließen. Da 240 Mikrogramm an einer einzelnen Meßstelle durchaus realistisch sind, werden Fahrverbote erst ausgesprochen, sobald an drei Meßpunkten der Grenzwert überschritten ist, und das mindestens eine Stunde lang durchgehend. Einer der drei Meßpunkte muß zudem in einem anderen Bundesland liegen als die anderen beiden.
Schließlich und endlich fallen seit Sommer 1995 alle gemessenen Werte grundsätzlich um rund zehn Prozent niedriger aus als vorher. Als Grund nennt Klaus Kutzner von der Berliner Senatsumweltverwaltung die Vereinheitlichung der Meßsysteme in Europa. Doch inwieweit die Grenzwerte entsprechend angepaßt werden müßten, beantwortet er nicht.
Sollte es unter diesen Bedingungen dennoch jemals zu einem Fahrverbot kommen, müssen bundesdeutsche Autofahrer noch lange nicht Sorge haben, ihr unentbehrliches Fortbewegungsmittel in der Garage stehenlassen zu müssen. Erst mal gilt das Fahrverbot ohnehin nur für Altautos ohne oder mit ungeregeltem Katalysator. Und selbst die, die so ein Vehikel ihr eigen nennen, müssen nur ein wenig Phantasie walten lassen, um dem Fahrspaß frönen zu können: Fahrten in den Urlaub beispielsweise sind vom Fahrverbot ausgenommen.
Die Bundesumweltministerin verteidigt jedenfalls weiterhin ihr Gesetzeswerk nach Kräften. Kampagnen von Greenpeace und anderen Umweltorganisationen für strengere Grenzwerte trügen „unnötig zur Verunsicherung bei“, hieß es in dieser Woche aus dem Ministerium. Eine Verschärfung des Gesetzes sei nicht nötig, weil „Deutschland weltweit über den schärfsten Grenzwert zur Auslösung von Fahrverboten“ verfüge. Und die gesundheitlichen Auswirkungen des Ozons würden ohnehin übertrieben. Erstaunlich nur, daß das Ministerium zwar Greenpeace angriff, aber geflissentlich überging, daß sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit langem für Fahrverbote bei einer Ozonkonzentration von 120 Mikrogramm einsetzt – genau wie Greenpeace.
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