: High-Tech-Fernsehen made in Lausitz
Manche Tüftler schaffen's trotz der deutschen Forschungsförderung nach oben: Die nächste Revolution des Heimkinos kommt nicht aus Japan, sondern aus der hiesigen Provinz ■ Aus Senftenberg Reiner Metzger
Sie werden wieder alle prahlen mit ihrer neuesten Technik, die Elektronikgiganten aus Japan, Europa und den USA, wenn am 30. August die Internationale Funkausstellung IFA in Berlin ihre Tore öffnet. Doch die eigentliche IFA- Neuerung kommt aus bescheidenen Labors im brandenburgischen Senftenberg, das jedenfalls glaubt Franc Godler. In nur vier Monaten entwickelte der Tüftler in seiner Firma GP Elektronik AG das Kino fürs Wohnzimmer. Der Prototyp wird auf der Funkausstellung zu sehen sein (Stand 39, Halle 26).
Senftenberg in der Lausitz zwischen Dresden und Berlin ist nicht gerade als High-Tech-Standort bekannt. Am Stadtrand stopfen gewaltige Braunkohlebagger unbeholfen die erschöpften Abraumhalden des Tagebaus. Und auch der grau verputzte Bau der GP Elektronik wird die Konkurrenz von Sony und Philips gewiß nicht beeindrucken. Dort im Keller arbeiten um die zehn junge Ingenieure und Elektroniker an ihm, dem „Fernsehprojektor“.
Im Prinzip eine alte Idee: Eine Lampe durchleuchtet einen Schirm mit Flüssigkristallen, wie sie millionenfach in tragbaren Computern arbeiten. Eine Linse wirft das Bild dann auf eine Dia- Leinwand, und schon fliegen die riesigen Ufos des Science-fiction- Schinkens „Independence Day“ raumfüllend im Keller. Doch für Privatleute war solches Heimkino bislang unbezahlbar.
Die Apparate großer Elektronikfirmen kosten meist über 15.000 Mark. Doch Firmenchef Franc Godler hatte ein paar gute Ideen zur Vereinfachung. Er ersetzte etwa die alten Lampen durch die billigeren und haltbaren bläulich leuchtenden Scheinwerferbirnen, mit denen Nobelkarossen neuerdings Entgegenkommende blenden. So kostet sein Projektor im Format eineinhalb mal zwei Meter nur noch 5.000 Mark.
Trotz der Premiere und den hektischen Vorbereitungen kommt Franc Godler nicht aus der Ruhe. Schließlich hat er schon „über 100 Maschinchen“ erfunden. Der Sohn slowenischer Eltern studierte zuerst Nachrichtentechnik und dann Physik an der Technischen Universität Berlin. Während seiner Doktorarbeit waren ihm die Meßgeräte nicht gut genug – da entwarf er selber welche. Die Geräte gefielen seinen Kollegen und Godler erkannte eine Marktlücke. Meist baute er mit seinem Partner arbeitsaufwendige Einzelanfertigungen für chronisch geldknappe Forscher. „Wir hatten damals weniger Gewinn als eine Wurstbude“, sagt Godler heute.
Fördermittel hat er nur einmal beantragt und dann nie wieder. Denn der Gutachter beim Verband Deutscher Ingenieure (VDI) fand sein Spannungsmeßgerät auch nach ausführlichen Erklärungen der Vorteile „nicht interessant genug“. Das Gerät verkaufte sich trotzdem. Der Physiker Klaus von Klitzing und das IBM-Forschungslabor bei Zürich haben damit gemessen und für ihre Ergebnisse jeweils einen Nobelpreis bekommen.
Nach dem Fall der Mauer verließ Godlers Firma ihr Domizil im Kreuzberger Hinterhof Richtung Lausitz, weil die Miete sich verdoppelte. Hier kam Godler vor einem Jahr seine einträglichste Idee: Er engagierte den Finanzexperten Franz-Josef Baus. Der hat selbst schon ein paar Firmen und kennt sich aus in den Wirtschaftsetagen. Baus besorgte schnell 500.000 Mark Startkapital vom Land Brandenburg für den Fernsehprojektor samt einem Nachfolgeprojekt für die Filmindustrie. Die Sprache der Banken scheint der blonde Mercedesfahrer ebenfalls gut zu sprechen. „Eine Berliner Großbank“, so Baus lächelnd, „hat uns einen Kreditrahmen über 20 Millionen Mark eingeräumt. Wir bürgen nicht einmal mit unserem Privatvermögen.“ Davon träumen andere Existenzgründer nur. Im geplanten Werk sollen 150 Leute arbeiten. Ein Prozent Marktanteil an Fernsehern peilen die Tüftler an – dann könnten noch mal 500 Jobs entstehen. Solche Perspektiven rissen auch die Wirtschaftsförderer im Brandenburger Ministerium mit: Am Montag sagten sie offiziell bis zu sechs Millionen Mark Förderung zu.
Godler denkt schon ans nächste Projekt: Endlich habe er Leute für die Fertigung und das Kaufmännische. „Das habe ich bisher ja noch mitmachen müssen.“ So bleibt mehr Zeit zum Tüfteln.
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