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Christkind bringt dieses Jahr Unwetter

Vor der Küste Perus braut sich derzeit die übelste Klimaschwankung des Jahrhunderts zusammen: Die pazifische Meeresströmung El Niño bringt weltweit Dürren und Flut  ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Die bislang größte Klimaschwankung dieses Jahrhunderts kam 1982: Extreme Dürren und Stürme töteten rund 2.000 Menschen, machten Hunderttausende obdachlos und richteten Schäden in Höhe von 23 Milliarden Mark an. Schuld ist El Niño (spanisch für „das Christkind“), eine Wetteranomalie, die alle zwei bis neun Jahre über Perus Küste hereinbricht. Zur Zeit braut sich wieder ein El Niño zusammen, noch mächtiger als der von 1982.

Das jedenfalls fürchten Meteorologen, die sich bis gestern in Genf auf Einladung der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) der UNO versammelt hatten, um über bessere Vorhersagen solcher Anomalien zu beraten.

Erst vor zwanzig Jahren wurden Meteorologen auf das Phänomen vor Perus Küste aufmerksam – dieser Teil der Erde war bislang von ihnen vernachlässigt worden. Die heftige warme Strömung El Niño erreicht ihren Höhepunkt stets zu Weihnachten. Insgesamt kann sie aber bis zu 22 Monate dauern. Weil dann das nährstoffreiche Wasser aus den Tiefen durch das warme Öberflächenwasser nicht mehr aufsteigen kann (siehe Grafik), brechen die Fischbestände ein. So erwirtschaftete Perus Fischindustrie 1982 nur noch 40 Prozent ihrer normalen Umsätze. Auch die Landwirtschaft litt unter heftigen Stürmen durch den damaligenEl Niño. Perus Wirtschaft brauchte zehn Jahre, um sich zu erholen.

Doch die Wirkung der Anomalie ist nicht auf Peru begrenzt. Normalerweise treiben die Passatwinde das warme Wasser Richtung Philipinen und Australien, wo es Hitze bringt: Die warme Luft steigt auf, kühlt sich ab und kann nicht mehr soviel Feuchtigkeit halten – Regenwolken bilden sich. Doch in El Niño-Jahren bleibt das aus – das feuchtheiße Klima verschiebt sich 6.000 Kilometer über den Pazifik nach Peru – und bringt das Wetter auf dem ganzen Globus durcheinander.

Die Folge: Dürren in Südostafrika, in Indien läßt der Monsunregen nach oder bleibt, wie 1982/83, sogar ganz aus. In Australien wüten Buschbrände und in den USA Hitzewellen. Allein Europa bleibt völlig unbehelligt – hier wird es gerade mal ein Zehntel Grad wärmer.

Um die Schäden möglichst gering zu halten, ließ die WMO nach dem 82er Unheil 70 Bojen vollgestopft mit Meßelektronik über den tropischen Pazifik verteilen. So kann das Christkind inzwischen gut vorhergesagt werden. Die Bojen melden derzeit bereits sechs Grad wärmeres Wasser vor Peru. Seit Juni erlahmten die Passatwinde zum ersten Mal seit 1982 wieder quer über dem Pazifik – Hinweis auf ein besonders schweren El Niño. Bauern gibt die rechtzeitige Vorhersage Gelegenheit, andere Pflanzen anzubauen, die das andere Klima besser vertragen. Peru erhöht bereits seine Dämme.

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