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Gefühlssache Ballonfahren

■ Rudolf Zogmeyer ist Bremens erste Ballon-Fahrlehrer: Kurzer Lehrgang über das schwebend luftige Vergnügen, die Angst des Profi und die harte Arbeit im Hintergrund

Rudolf Zogmayer, der Chef der ersten Bremer Ballonfahrer-Schule, steht auf einer Wiese bei Borstel südlich von Bremen und guckt skeptisch in den Himmel. In einer Stunde soll er abheben, der Ballon, prall gefüllt mit heißer Luft, unten dran der Weidenkorb, in dem Korb er selbst, sein Ballonschüler und zwei zahlende „Gäste“. Die rollen ein paar Schritte weiter die Ballonhülle aus. Eine ganz normale Ballonfahrerlektion in Zogmayers „Ballonteam Hanseat“beginnt.

Zogmayer bildet seit zwei Jahren BallonpilotInnen in Bremen aus. Hinter ihm liegen zehn Jahre Ballonsport. „Zum ersten Mal bin 1974 als Gast Gasballon gefahren. Damals hatte ich ganz lange Arme vom Sandsäckeheben“. Nochmal zehn Jahre später hat er seinen eigenen Ballonpilotenschein in der Hand. „Wissen Sie“, sagt er,“wenn Sie noch nie Ballon gefahren sind, können Sie gar nicht verstehen, was das bedeutet. Das ist so ein Schweben ...“Dieses Unbeschreibliche birgt so manche Illusion, und die bekommt auch Zogmayer zu spüren. „Es kommen ja Leute zu mir, die sehen so einen Ballon am Himmel und denken sich: Das will ich auch. Nur vergessen Sie, daß da eine Menge Arbeit dahinter steckt.“

Und so steht zu Beginn der Zogmayerschen Ausbildung auch zunächst Ernüchterung. Statt in aller Ruhe über den Dingen zu schweben müssen die Aspiranten mit dem Auto über Feldwege rumpeln, immer dem Ballon hinterher. „Sie müssen erst mal verfolgen lernen. Wer dann immer noch Lust hat, kann bleiben.“Aber nur, wenn er andere Voraussetzungen erfüllt: Mindestalter 18, fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis, ein Führungszeugnis und ein Auszug aus dem Flensburger Verkehrszentralregister. Nicht zu vergessen sind die Kursgebühren von rund 11.000 Mark. „So strenge Kriterien machen schon Sinn.“Zogmayers Schüler Hartwig Wiest nickt mit dem Kopf. „Die Piloten müssen verläßlich sein. Schließlich sind wir ja nicht allein dort oben.“Der Bremerhavener ist seit Juli dabei. „Das mußte einfach sein. Irgendwann wird man verrückt. Vor zehn Jahren habe ich angefangen, Ballonpostkarten zu sammeln, später kamen dann noch Sticker dazu, überhaupt alles, wo ein Ballon drauf war. Außerdem organisiere ich schon jahrelang Ballonfahrertreffen, also mußte ich auch endlich richtig in die Luft gehen.“

Bis er das alleine darf, werden gut zwölf Monate vergehen. Bevor es praktisch in die Höhe geht, muß erst noch das theoretische Rüstzeug erworben werden. Am Anfang steht das deutsche Funksprechzeugnis, denn ohne das schwebt der Ballon ohne Verbindung zum Verfolgerwagen oder Flughafentower durch die Luft. Hartwig Wiest hat diese erste Hürde schon hinter sich, die „Phraseologie“kennt er schon vom Flugzeugschein.

Der wahre Ballonfahrer zeigt sich freilich erst in der rauhen Luft, und so hat es die praktische Ausbildung bei Rudolf Zogmayer auch in sich. „Ich fahre einen harten Ballon. Die Schüler müssen auch zurechtkommen, wenn nicht gerade eitel Sonnenschein mit 15 Grad herrscht. Abgesprungen ist mir deswegen noch keiner.“

Die Checkliste der erforderlicher Fertigkeiten ist lang. Am Boden üben die zukünftigen Luftfahrer, wie sie den bis zu 7.500 PS starken Gasbrenner zu bedienen haben, um nicht selbst in Flammen aufzugehen, knebeln etliche Male die Ballonhülle an den Korb und schließen die Reißbahn, nur um sie wieder aufzudröseln und es noch einmal zu machen. Wenn schließlich jeder Handgriff sitzt, vergeht kaum eine Stunde, bis aus den vielen Einzelteilen ein flugbereiter Ballon entsteht.

Anschließend wird mit einem Ventilator kalte Luft in die Hülle geblasen und mit dem Brenner auf 100 Grad erhitzt. „Na, wollen wir mal eine Übungsfahrt machen“, hieß es einfach, „und in der Luft sollte ich dann auf einmal übernehmen. Da stand ich da.“Wiest weiß noch wie das war, damals im Juli. „Zum Glück hat man ja Zeit dort oben. So ein Ballon reagiert ja ziemlich träge, so wie ein Segelboot ungefähr. Wer ein bißchen vorausdenkt, kommt eigentlich gut zurecht.“

Kommt natürlich darauf an, was man denkt. In sechzig Stunden pauken sich die Schüler Luftrecht, Navigation, Meteorologie, Technik und das Verhalten in besonderen Situationen in die Köpfe, „wahnsinnig anstrengend ist das“, findet Wiest. Doch ohne das geht es nicht, wohl kaum ein anderes Luftfahrzeug ist den Launen der Natur so ausgeliefert wie der Ballon. „Wir können ja nur steigen oder sinken, mehr bleibt uns nicht“, grenzt Zogmayer seine Möglichkeiten ein.

Aber wie fährt man denn nun so ganz praktisch einen Ballon? Zogmayer wedelt mit den Armen: „Wissen Sie, das ist alles eine Frage des Gefühls. Das kann ich nicht einfach so erklären.“Aber was, wenn plötzlich aufstrebende Luftströmungen den Ballon nach oben treiben, Windwirbel hinter hohen Gebäuden, sogenannte „Leerollen“, das Fahrzeug ins Trudeln bringen oder plötzlich der Höhenmesser ausfällt? „Ja, das hat man im Gefühl ...“

„Geduld gehört dazu“sagt Hartwig Wiest, streift sich die Lederhandschuhe über und meldet den Ballon abflugbereit. Ein letzter Blick auf die dunkle Regenwolke über der Wiese. Ob ihm schon einmal das Herz in die Hose gefallen ist? „Nein, ich habe keine Angst.“Zogmayer grinst: „Mein Schüler ist eben noch etwas unbedarft.“

Christian Sywottek

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