: Serben greifen erneut UN-Mitarbeiter in Brčko an
■ Präsidentin Plavšić outet sich in Belgrader Oppositionsradio B92: Habe mit Dayton nichts zu tun. Lage in Brčko beruhigt sich, SFOR evakuiert UN-Polizisten
Wien (taz) – In der bosnisch-serbischen Stadt Brčko sind gestern erneut UN-Mitarbeiter angegriffen worden. Sie wurden von Serben mit Steinen beworfen und aus der Stadt getrieben. Wie UN-Sprecherin Liam McDowall mitteilte, wurde niemand verletzt. Zuvor war auf das Verlagsgebäude der unabhängigen Wochenschrift Alternativa in Doboj ein Anschlag verübt worden. Dabei entstand erheblicher Sachschaden. Die Tat soll von Sympathisanten des bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić ausgeführt worden sein.
Den Herrschenden von Pale ist das Blatt ein Dorn im Auge, weil es Präsidentin Biljana Plavšić in jeder Ausgabe ausführlich zu Wort kommen läßt, die mit Kritik an ihren Widersachern nicht zurückhält. Doch alles, was Plavšić vor heimischem Publikum erzählt, liegt ideologisch ganz auf der Linie der Nationalisten in Pale und Belgrad.
Jüngstes Beispiel ist ein Interview der Präsidentin im Belgrader Radiosender B92 vom Donnerstag. Darin gibt die ehemalige Biologieprofessorin offen zu, daß sie vom Daytoner Friedensvertrag wenig hält: „Ich habe den Dayton- Vertrag nie unterschrieben. Ich habe mit dem, was in Dayton vereinbart wurde, nichts zu tun.“ Außerdem macht Plavšić keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber der Arbeit des Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. „Was die alles tun wollen, ist ihr Problem. Ich gebe zu bedenken, daß das serbische Volk weder Karadžić und Mladić noch andere als Kriegsverbrecher ansieht, und das sollte Den Haag bitte berücksichtigen.“
Unterdessen beruhigte sich die Lage in der bosnisch-serbischen Stadt Brčko gestern morgen wieder. Dort waren am Donnerstag Hunderte Zivilisten mit Steinen und Stöcken gegen UN-Polizisten und SFOR-Soldaten vorgegangen. Die über 200 UN-Polizisten wurden vorläufig von SFOR evakuiert. Die amerikanischen SFOR-Truppen patrouillierten weiter in den Zufahrtsstraßen und zeigten mit Helikoptern verstärkte Präsenz.
Die Europäische Union verurteilte gestern „aufs schärfste“ die Angriffe bosnisch-serbischer Zivilisten auf die SFOR und die UN- Polizei (IPTF) in Brčko und anderen Städten. Der Rundfunkaufruf zum „Aufstand“ und zur Gewalt gegen SFOR und IPTF könne nicht toleriert werden, erklärte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel. Die „Urheber dieser Provokation“ müßten zur Verantwortung gezogen werden. Der amerikanische Sondergesandte für Bosnien, Richard Holbrooke, sagte, den bosnischen Serben müsse zu verstehen gegeben werden, daß sie mit Dynamit spielten. „Die Nato wird schnell und in aller Deutlichkeit handeln.“ Karl Gersuny
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