: Punk-Polemik und Qawwali-Klänge
■ Fund-Da-Mental, Transglobal Underground und Asian Dub Foundation sind die Vorreiter der neuen multikulturellen Musikszene Englands. Ihr Musikverlag Nation ist stilprägend
Über die britische Musikindustrie kann sich Aki Nawaz nur ärgern: „Wenn wir Brit-Pop spielen würden, hätten wir es leichter. Wir sind schwer einzuordnen, die Wahrnehmung ist vorurteilsbelastet.“ Seine Band Fun-Da-Mental verbindet Punk-Polemik und harte Dance-Beats mal mit Qawwali- Klängen, mal mit Tabla- und Flötentönen. Die Musikpresse nannte sie die „asiatischen Public Enemy“, nach den radikalen US- Rappern. „Wir müssen zugeben von ihnen beeinflußt worden zu sein“, räumt Aki Nawaz ein. „Aber musikalisch trennen uns Welten von Public Enemy.“
Bei Fun-Da-Mental stand von Anfang an das Politische im Zentrum: Sie gründeten sich als Reaktion auf die Wahl der rassistischen British National Party (BNP) ins Stadtparlament 1993, zunächst nur für einen Auftritt beim karibischen Notting Hill Carnival in London. Aki Nawaz alias „Propa-Gandhi“ predigt einen militanten Antirassismus und nennt sich selbst spöttisch „Paki-fist“ – eine Paki-Faust. Mit Halbmondsymbolik, vieldeutiger Namensgebung und aggressivem Auftreten eckten sie an; ihr „Dog-Tribe“-Video, das Selbstverteidigung gegen Naziterror propagiert, verbannte MTV ins Nachtprogramm. Dabei sind Fun-Da- Mental — ihr zweiter Frontmann, der Schwarze Dave Watts, stammt aus Barbados — alles andere als pakistanische Fundamentalisten: „Kultur in einem nationalistischen Sinne, das ist alles Schwachsinn. Es gibt keine Grenzen. Wir können sein, was wir sein wollen.“
Das ist auch das Programm des kleinen, unabhängigen Nation- Plattenverlags, der vor fast zehn Jahren von Aki Nawaz mitbegründet wurde. Er prägte einen ganz neuen, eigenen Sound. Flaggschiff des Verlags ist Transglobal Underground, die das Anything goes im Dance-Bereich bisher am weitesten vorantrieben. Sängerin Natacha Atlas, in Brüssel mit arabischer Klassik und nahöstlicher Folklore aufgewachsen, mischt mit ihren Partnern DJ Mantu und Keyboarder Alex Kasiek allerhand exotische Klänge in ihren elektronischen Ethno-Dub. Ihren Stücken geben sie seltsame Phantasienamen wie „Psycho Karaoke“ oder „Eyeway Souljah“.
Die Gruppe sieht ihre Musikmixtur als Ausdruck der zunehmenden Bastardisierung der Welt: „Es läßt sich nicht vermeiden, daß sich die Dinge vermischen. Wenn man in den Orient oder nach Pakistan geht, da werden alle möglichen Sachen durcheinandergeworfen“, sagt DJ Mantu. Und Natacha Atlas ergänzt: „Es gibt in Ägypten einen Ace-of-Base-Abklatsch, der ziemlich furchtbar ist. Aber sie mögen's. Und es gibt eine ägyptische Band, die wie Pink Floyd klingt. Ich finde, es sollte viel mehr ägyptische Pink Floyds geben.“
Musikalisch rücken Transglobal Underground oft bedenklich nahe an einen oberflächlichen Multikulturalismus, der sich aus dem globalen Einkaufskorb bedient und das Fremde auf Spiritualität und Exotik reduziert. John Pandit, DJ der Asian Dub Foundation, hat damit Probleme: „Es gibt so viele, die auf einen Trip nach Goa fahren und überhaupt nichts über Indien wissen. Die gehen nach Goa, nehmen ein paar Acids, kommen zurück und sagen: „Hey, Mann, ich liebe deine Kultur!“ Da kann ich nur sagen: „Was meinst du? Meine Kultur liegt im East End von London.“
Asian Dub Foundation sind 1993 aus einer Reihe von Workshops mit asiatischen Jugendlichen heraus entstanden. „Die Technologie ist verfügbar. Man muß sie sich nehmen, um die Verhältnisse zu untergraben“, erläutert Aniruddha Das alias „Dr. Das“ die Bandphilosophie: der Sampler als Medium politischer Artikulation. Die Asian Dub Foundation haben sich kürzlich vom Nation-Mutterschiff getrennt, weswegen ihr zweites Album „R.A.F.I.“ bisher nur in Frankreich erhältlich ist. Dort sind sie Stars, und den französischen Journalisten erklären sie selbstbewußt: „Wir repräsentieren das heutige Großbritannien weit mehr als Blur und Oasis.“ Daniel Bax
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