: Wer nicht bremst, verliert auch
Leben in der Bundesliga (IV): Marcus Klausmann ist Deutschlands führender Downhill-Mountainbike-Profi. Sein Vater ist bei ihm angestellt ■ Von Frank Ketterer
Denzlingen (taz) – Für seine 19 Jahre macht Marcus Klausmann einen verdammt vernünftigen Eindruck. „Klar kann immer etwas passieren“, sagt er beispielsweise. Logisch sei es ein gefährlicher Sport, den er da ausübe. Man müsse halt wissen, wo die Grenzen liegen. „Die meisten“, sagt der junge Mann aus dem badischen Denzlingen, „kennen die ihren.“
Das alles kommt aus berufenem Munde, denn trotz seiner Jugend ist Klausmann einer der Stars der Branche, die sich Downhill nennt. Downhill, das sind rasende Abfahrten per Mountainbike hinab ins Tal, verwegene Ritte über Stock und Stein, härteste Prüfungen für Mensch und Material.
Gesamtzweiter im Weltcup wurde Klausmann im letzten Jahr, Vizeweltmeister bei den Junioren ein Jahr zuvor. Erst kürzlich kürten sie ihn im badischen Bühlertal zum deutschen Meister. Die Bundesliga führt er mit 156 Punkten und damit 29 Zählern vor Bernhard Watzke vom RSV Vietach an. Nach drei von vier Rennen ist das – zumal jeder ein Streichresultat hat – keine schlechte Ausgangsbasis vor dem Bundesligafinale, das Anfang Oktober in Steinbach-Hallenberg stattfindet.
Diese Bundesliga, die bei den Mountainbikern Grundig-Cup heißt, ist dem jungen Downhill- Profi wichtig, schon wegen seiner Fußball kennt eh jeder. Die taz- Serie untersucht: Wie lebt es sich in anderen Bundesligen? Bisher erschienen: Judo (30. April), Faustball (27. Mai), Baseball (10. Juni)
Sponsoren, die ein Anrecht darauf haben, bei der national hochrangigsten Rennserie möglichst weit vorne vertreten zu sein. Doch auch sportlich bekommen die Bundesligarennen Bedeutung. „Man merkt“, sagt Klausmann, „daß da internationales Niveau erreicht wird.“
Seit 1992 richtet der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) die Mountainbike-Bundesliga aus. Zu Beginn trug sie den Namen einer ziemlich bekannten Fast-food- Kette, ein Jahr später hatte sie schon den Elektroriesen als Hauptsponsor hinter sich stehen. „Zielsetzung für das Engagement von Grundig im Sport“, läßt die Pressestelle des Konzerns wissen, „ist die Verjüngung der Marke, um damit eine höhere Akzeptanz bei jugendlichen Zielgruppen zu erreichen.“ Die Wahl fiel auf Snowboarding und Mountainbiking, Sportarten, bei denen es recht freakig zugeht.
Denn schnell, schrill und laut muß es sein, damit echte Downhill- Atmosphäre aufkommt. Laut im Ziel, wo meist die neuesten Rap- Scheiben die Ankunft der Fahrer begleiten, schrill beim Outfit, das geprägt ist von jeder nur erdenklichen Art von Schutzpanzern, schnell auf der Strecke, auf der Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern erreicht werden.
Das hat den Downhillern ein Exoten-Image eingebracht im BDR, dem sie seit 1991 angehören. „Mittlerweile ist die Akzeptanz größer geworden. Man akzeptiert Downhill als eigene Sportart“, sagt Volker Brunner, Mountainbike- Fachwart im BDR.
Andere Probleme sind geblieben. Beispielsweise jenes, Rennveranstalter mit einer bundesligatauglichen Strecke zu finden. Republikweit fallen Brunner nur vier – Todtnau, Tabarz, Bühlertal und Steinbach-Hallenberg – ein, nicht zufällig gibt es in genau diesen Orten festangelegte Strecken. Besonders schmerzt den Mountainbike- Fachwart, daß der gesamte Alpenraum immer noch dichtmacht, wenn der BDR zwecks Wettkampfausrichtung anklopft. „Die haben immer noch Angst um ihre angestammte Klientel“, sagt Brunner, „Wanderer und Biker tragen da immer noch einen Konflikt aus.“
Bis vor zwei Jahren wurden Downhill und Cross-Country, das „normale“ Querfeldeinradeln, noch zusammen gewertet. Seit letztem Jahr gibt es eine eigene Downhill-Gesamtwertung für die Bundesliga. „Die Fahrer sind heute reine Spezialisten“, sagt Brunner, der Aufwand, um an das eher bescheidene Preisgeld zu kommen, ist enorm. 1.300 Mark gibt es für einen Tagessieg bei den Elite-Männern, 2.000 Mark zusätzlich für den Sieger in der Gesamtwertung. Bei den Frauen sind es sogar noch ein paar hundert Mark weniger, eine Teamwertung gibt es nur inoffiziell.
Von den Preisgeldern kann Marcus Klausmann logischerweise nicht leben. Seit zwei Jahren gehört er zu den wenigen deutschen Profis. 95 Prozent seines Profi- Etats werden von Sponsoren abgedeckt. Ohne die wird das Siegen verdammt schwer – selbst in der national offenen Bundesliga. Im Weltcup ist es so gut wie ausgeschlossen. Neben täglichem Training in Kraft, Kondition und Schnelligkeit spielt das Material eine entscheidende Rolle. Rahmen- und Gabelbrüche sind nach wie vor keine Seltenheit, und mit dem Reifen ist auch schon so mancher Siegertraum geplatzt.
Deshalb testet der Badener, der bei dem italienischen Profi-Rennstall „Sintesi Verlicci“ unter Vertrag steht, ständig Neuentwicklungen, die sein Bike noch besser und schneller machen könnten. Unablässig feilt Vater Manfred, hauptberuflich Mechaniker seines Sohnes, an diversen Radteilen, um die futuristisch anmutende Rennmaschine zu optimieren. „Downhill ist ein bißchen die Formel 1 im Bikegeschäft“, sagt Klausmann, „manche arbeiten schon mit Computeraufzeichnungen.“
Im Rennen spielt neben aller High-Tech und körperlichen Fitness vor allem die Psyche eine große Rolle. Ein Höchstmaß an Konzentration ist erforderlich, wenn es rasend talwärts geht. „Es reicht nicht, nur Druck in den Beinen zu haben“, sagt der Bundesligaspitzenreiter, „auch im Kopf muß es stimmen.“
„Man bewegt sich auf Messers Schneide“, beschreibt Klausmann den Tanz zwischen Mut zum Risiko und gebotener Vorsicht. Wer bremst, verliert, heißt es in der Szene flapsig. „Wer nicht bremst, verliert auch“, ergänzt Marcus Klausmann. Das klingt verdammt vernünftig.
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