: Aha-Erlebnisse über Bremen
■ Musikfest Bremen '97 eröffnet am Sonntag mit Vladimir Ashkenazy und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin
Einen kleinen, aber deutlichen Seitenhieb mußte sich Wirtschaftssenator Hartmut Perschau von Musikfestleiter Thomas Albert schon gefallen lassen. Denn erst seit dem 3. Juli hat Albert den Bescheid für die Gelder des Wirtschafts- und Kultursenators über DM 800 000 in Händen, immerhin ein Viertel des Gesamtetats des diesjährigen Musikfestes. Die zweite Pressekonferenz unmittelbar vor der Eröffnung fand also in schönster Eintracht statt: Herr Perschau erwartet „Aha-Erlebnisse über Bremen“, die Kultursenatorin Bringfriede Kahrs meint, nun komme einmal mehr Zunder in die noch immer trockenen Diskussionen des Arbeitskreises „Musikstadt Bremen“(wir berichteten). Wie gewohnt, ist in Thomas Alberts Reden so ziemlich alles „gewaltig“, „ungeheuer“, „sensationell“, aber darüber hinaus gibt es auch „Kleinodien“. Und das Dollste: Das Bremer Musikfest „ist im Internet“, und da sind in wenigen Tagen über 6000 Anfragen eingegangen. Grund genug für den Senator, das bürokratische Zögern seines Ressorts abzulegen und nach einem amtsüblich langen Vorlauf das Musikfest in Zukunft zu „einem Markenzeichen“zu entwickeln, wie er versprach.
Das steht dieser Veranstaltung auch an, denn was in dreißig Konzerten im nächsten Monat angeboten wird, wird so manchem die Wahl zur Qual machen. Oder auch nicht, denn es gibt ein Konzert, das kostet in der ersten Kategorie DM 180 was „sein muß, denn die Eintrittsgelder decken“, so Herrmann Pölking-Eiken von der durchführenden Agentur, „noch nicht einmal 50% der Kosten.“Verwundert nimmt man zur Kenntnis, daß „die teuersten Karten in Bremen am besten gehen“. Verkauft sind 68%, erreicht werden sollen zum Wochenende 75%. Welche Konzerte bereits ausverkauft sind, wird nicht verraten. Die Nachfrage ist „jedenfalls so gut wie nie zuvor“.
Konsequenter denn je – bis auf ganz wenige Ausnahmen – sind die allerersten Vertreter der historischen Aufführungspraxis eingeladen. Diesmal kann man das große I weglassen, denn Frauen sind nur wenige darunter. Oder welche, die vielleicht nicht schön genug für ein Plakat sind, wie die wegen permanenter Abwesenheit an der hiesigen Hochschule für Künste geschaßte Geigerin Monica Huggett. Dafür zeigt die lockenmähnige Anne Sophie Mutter auf Flyern ihre werbeträchtige Schulter zwischen lauter Männern: Der Stil der Geigerin ist nun nicht gerade typisch für die Interpretationen des Musikfestes. Dafür ist sie die berühmteste. Der Kollege vom Weser-Kurier insistierte auf der Pressekonferenz listig, welche Gründe es für die Nichtbeteiligung des Philharmonischen Staatsorchesters gab. Die, die er wohl gerne hören wollte, erfuhr er nicht. Man ist im Gespräch mit Günter Neuhold für künftige Projekte. Exklusiv müssen sie sein wie das Projekt der Deutschen Kammerphilharmonie mit Robert Schumanns Melodram „Manfred“, dessen Sprecher Klaus Maria Brandauer sein wird. Apropos exklusiv: Über 50% des Programmes ist nicht von Tourneen abgezockt, sondern tatsächlich exklusiv. So etwa der Barockopern-Zyklus von William Christie, der nur in Paris, London und Bremen läuft, der Auftritt von „Anima Aeterna“, aber auch das Gastspiel der Wiener Philharmoniker, die überhaupt zum ersten Mal in Bremen sind. Premiere in Bremen feiert auch das Orchester des Eröffnungskonzertes unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy: Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, das sich allerdings eher mit Neuer Musik einen Namen gemacht hat. Im Jacobs-Terminal spielt es am 7. September Werke von Mendelssohn, Schubert und Brahms. Ute Schalz-Laurenze
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