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Der Kanzler kommt, die Stimmung nicht

Auch Kohl kann Hamburgs CDU nicht wecken. Sein Besuch enttäuschte nicht nur  ■ Silke Mertins

Bedrückt schlichen viele ChristdemokratInnen von dannen. Als Adrenalinstoß hatten sie sich den Besuch des Kanzlers am Freitag abend auf dem Gänsemarkt vorgestellt, als Schlüsselerlebnis und Wahlkampfwende. Statt dessen fand man sich in der peinlichen Situation wieder, daß nicht einmal die 1500 Sitzplätze des abgesperrten Bereichs besetzt waren. Eine scharfe Kurve mußte der Kanzler mit CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust und Parteichef Dirk Fischer im Schlepptau bei seiner Hände-Schüttel-Runde einschlagen, um nicht vor leeren Bänken zu stehen.

Vor den Absperrgittern übten sich Jusos und PDSler im traditionellen Anti-Kohl-Brüllen. Routiniert begrüßte Kohl seine „politischen Feinde“, die „Fußkranken der sozialistischen Völkerwanderung“. Das Schreien sei „pädagogisch gar nicht schlecht, es baut Komplexe ab.“Das Protestgejaule schwoll an. Doch Kohl war längst bei seinem „Freund Ole von Beust“, dem „Vaterland“, der „Heimat“, dem „Haus Europas“und schließlich, grimmig, bei Hamburgs Erstem Bürgermeister Henning Voscherau (SPD). Vor letzterem könne man die ahnungslosen WählerInnen nicht genug warnen.

Selbst wenn Voscherau sich vor den Wahlen gegen Rotgrün ausspreche – „vergessen Sie's“. Der würde es dennoch machen. Und das bedeute „eine Blockade für die Zukunft“. Allein bei der Steuerreform. Voscherau „will den Neidkomplex kleiner Leute motivieren“, schimpfte der Kanzler. Auch über die neuerlichen Zweifel des Bürgermeisters am Euro „kann ich mich nur wundern“. Die Partei allerdings nicht, denn die Debatte ums neue Geld entzieht der Hamburger CDU Stimmen, auch Konservative haben Angst vor der neuen Währung. Und was soll man auch sagen, wenn man am Wahlkampfstand von braven Bürgern zu hören bekommt, daß sie lieber für die rechte Anti-Euro-Partei „Bund Freier Bürger“stimmen wollen?

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Unbehaglich blickten Parteichef Dirk Fischer (53, ledig, keine Kinder) und Spitzenkandidat von Beust (42, ledig, keine Kinder) auf ihre Schuhe, als Kohl die schwindende Bereitschaft zur Familiengründung dafür verantwortlich machte, daß das Sozialsystem nicht mehr funktioniere.

Endlich fand Kohl zu den politischen Gegnern zurück. Lächerlich findet der Kanzler die Herren Voscherau und Schröder mit ihren Vorstößen zur Inneren Sicherheit. „Der eine hat die Chaostage, der andere die Hafenstraße zu verantworten“, höhnte der Kanzler unter freundlichem Applaus. Als krönenden Abschluß ließ er die Nationalhymne singen. Die Menge außerhalb der Gitter konterte mit der Internationalen.

Parteichef Fischer bedankte sich artig beim Kanzler und den „mehr als 6000“ZuhörerInnen. Wahrscheinlich ist an dem CDU-Argument, die Schule müsse reformiert werden, weil manche die Grundrechenarten nicht beherrschen, doch etwas dran.

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