piwik no script img

Nur die Partei entscheidet

Gesichter der Großstadt: Wolfgang Branoner, Staatssekretär des amtsmüden Wirtschaftssenators Elmar Pieroth, will dessen Nachfolger werden  ■ Von Barbara Junge

Wolfgang Branoner ist kein Vatermörder. Vielmehr tritt der 41jährige – der als ältester Sohn ohne Vater aufgewachsen ist – gerne in väterliche Fußstapfen. 1996 hätte er gerne die Nachfolge von Umweltsenator Hassemer angetreten, dem er zuvor als Staatssekretär zur Seite stand. Auch jetzt als Wirtschaftsstaatssekretär hält er sich bereit, falls Senator Elmar Pieroth (CDU) seine Rücktrittsankündigungen doch noch wahr macht. Doch es scheint, als wolle die alte Garde der CDU den jungdynamischen Konservativen nicht zum Zuge kommen lassen.

Der ehrgeizige Branoner hat sich umsichtig in Position gebracht. Als Staatssekretär unter einem Wirtschaftssenator, der sowieso frühzeitig dem Amt entsagen wollte, wollte er zum entscheidenden Zeitpunkt an Ort und Stelle sein. Elmar Pieroth spielt derzeit Rumpelstilzchen mit seinen christkonservativen Parteifreunden. Er kann sich nicht so recht entscheiden, ob er nun Ex-Wirtschaftssenator oder künftiger Osteuropaberater sein will. Nun blickt die CDU-Führungsspitze angestrengt über den hoffnungsvollen Staatssekretär in der Martin-Luther- Straße hinweg, um das Amt möglicherweise einem anderen anzuvertrauen.

Geographisch betrachtet stammt der große Blonde, Jahrgang 1956, aus Schöneberg. Politisch aber ist er ein Neuköllner Gewächs. Nachdem er in seiner Jugend die architektonischen Vorzüge der Gropiusstadt kennenlernen durfte, wohin es die Mutter mit ihren Kindern gezogen hatte („vom Altbau in den Neubau – damals war das ein Aufstieg“), wurde er später Neuköllner Baustadtrat.

Nur die christdemokratische Weltsicht erklärt sich nicht ausreichend durch Branoners Verehrung für Kanzler Kohl – dessen Foto thront direkt neben dem Bild von Ehefrau Sabine auf dem Schreibtisch des Staatssekretärs. „Diese hemdsärmelige Offenheit von Helmut Kohl hat mich schwer beeindruckt.“ Branoner ist ein eingeheirateter Christdemokrat: Gattin Sabine hatte das Unionsparteibuch schon länger als er in der Tasche. Ihr Vater Karl-Heinz Spröde war stellvertretender CDU-Bürgermeister von Neukölln.

Karl-Heinz Spröde war Branoners erster politischer Ziehvater. „Ich habe meinen Schwiegervater bewundert“, gibt der Schwiegersohn häufig kund, „er war ein Organisationstalent.“ Heute wohnt Wolfgang Branoner mit Frau, der 14jährigen Tochter Frauke und dem 16jährigen Sohn Sebastian im Reihenhaus, in dem einst die Schwiegereltern lebten.

Über das Neuköllner Bezirksamt ist er lange hinausgewachsen. Dort begann er seinen Karriereweg 1979 als stellvertretender Wohnungsamtsleiter und Leiter der Preisstelle für Mieten. Der Frühstarter – „Meine Mutter hat gesagt, ich sei auch schon bei meiner Geburt zu jung gewesen“ – leitete als 22jähriger bereits eine vierzigköpfige Abteilung. 1980 wechselte er als Mitarbeiter in die Senatsbauverwaltung. Danach war er im wissenschaftlichen Fraktionsberatungsdienst der CDU für Bauwirtschaft und Haushaltsfragen zuständig. 1990 wollte er eigentlich der Partei den Rücken kehren und einen Vorstandsposten bei der Wohnungsbaugesellschaft Degewo übernehmen. „Aber Eberhard Diepgen hat mich ausgewählt, im Wahlkampf die Bau- und Wohnungspolitik zu vertreten.“ Nach der Wahl stieg Branoner zum Staatssekretär bei Umweltsenator Hassemer auf.

Wolfgang Branoner wechselt gerne seine Aufgaben und schlüpft dabei mit Leichtigkeit in ein neues Image. „Ich habe mein Grundmuster, davon gehe ich nicht ab, aber ich bin sehr spontan, sehr lernbegierig und überhaupt nicht festgelegt“, nennt der Staatssekretär das, was ein Mitarbeiter so beschreibt: „Oft weiß ich nicht so recht, was bei ihm hinter der Fassade ist.“

Anpassungsfähigkeit oder Flexibilität – beides keine Primärtugenden der Berliner CDU. Deshalb hat Branoner jetzt nicht die allerbesten Karten. Pieroth, der Altgediente, sammelte zwar quer durch die Union entschiedene Kritik ein, aber der Schutz des Diepgen-Clans war ihm immer sicher. Doch der vergleichsweise liberale Branoner paßt dem rechten Flügel nicht ins Konzept.

Schon einmal, 1995, als Umweltsenator Volker Hassemer für die CDU nicht mehr im neuzubildenden Senat zur Verfügung stand, legte sich die CDU auf eine Mannschaft mit Frau, aber ohne Branoner fest; obwohl der Aufsteiger erst als Umwelt-, dann als Bausenator gehandelt wurde. „Die Partei hat anders entschieden“, salutiert der brave Unionssoldat, „ich habe nicht geschmollt.“

Branoner ist nach dem einen oder anderen Imagewechsel kaum mehr wiederzuerkennen – mal mit randloser Brille, zugeknöpft und fachkompetent, dann trägt der Mann mit dem Uhrentick Golduhr, Goldkettchen und den goldblonden Haarschnitt eines kalifornischen Surfers. Und doch muß man es ihm abkaufen, wenn er sagt: „Ich wandle nur mein Äußeres.“ Wer 1976 „wegen der Ostpolitik“ in die CDU eingetreten ist und dort die Kombination von innerer Sicherheit und sozialer Sicherheit schätzt, der wird kaum ein liberales U-Boot sein. Seine Eitelkeit und seinen Ehrgeiz nimmt man ihm übel, ist aus der CDU zu hören. „Mein einziges Ziel ist es, eine Aufgabe, die ich übernommen habe, 120prozentig zu erfüllen“, sagt er selbst.

Ehrgeiz spielt auch im Privatleben eine Rolle. Branoner joggt und fährt Inline-Skates – den Kindern zuliebe. Er gibt sich gerne trendy und weiß sich zu präsentieren: „Ich hatte Angst vor der Tiefe und habe deshalb Tiefseetauchen gelernt. Ich habe Angst vor der Höhe, irgendwann will ich bestimmt Fallschirm springen.“

Aber auch beim Fallschirmspringen bleibt immer noch die Sicherheitsleine. Sollte er das Rennen um das Amt des Wirtschaftssenators verlieren, sichern seine soliden Kontakte in die Wirtschaft eine senatsfreie Zukunftsoption: „Wenn ein anderer das Wirtschaftsressort von Pieroth übernimmt“, so ein Vertrauter, „dann ist Wolfgang Branoner weg. Noch mal macht er das nicht mit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen