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Korruption als übliche Sitte

Bestechung schädigt Umwelt, Demokratie und Wirtschaftswachstum. Der Anti-Korruptionskongreß in Lima sucht seit gestern Standards  ■ Von Annette Jensen

„Korruption ist ein Krebsgeschwür. Es muß ausgerottet werden“, sagte Weltbank-Präsident James Wolfensohn vor kurzem. Auf der Suche nach Therapieformen ist Wolfensohn nach Lima gefahren – genau wie etwa 1.000 Vertreter von UNO, IWF, OECD, mehreren regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) und die Abgesandten aus über 80 Staaten. Seit gestern findet in Lima die 8. Internationale Anti-Korruptionskonferenz statt.

Bestechung ist ein weltweites Phänomen. Und sie nimmt zu. Experten gehen davon aus, daß Betriebe in Industrieländern etwa drei Prozent der Auftragssumme für Schmiergeld einkalkulieren, wenn sie einen Großauftrag haben möchten. Gezahlt wird in bar oder in Naturalien – von der Datsche bis zum Rennpferd ist alles möglich. Die Kosten schlagen die Schmierer selbstverständlich später auf die Rechnung drauf. Um den Zuschlag zu einem Projekt in einer armen Diktatur zu bekommen, werden schon mal 30 Prozent fällig. Besonders bestochen wird bei Militäraufträgen und beim Bau von Telekommunikationsnetzen, Straßen, Staudämmen und Brücken.

Nigeria rangiert auf der Liste der korrupten Länder ganz oben, gefolgt von Bolivien, Kolumbien und Rußland, hat die regierungsunabhängige Organisation Transparancy International (TI) festgestellt. Doch auch westeuropäische Länder wie Italien und Spanien belegen unrühmliche Mittelplätze, und Deutschland gilt keineswegs als bestechungsfreie Zone. Vor allem in Ostdeutschland sahnten die Verantwortlichen für kommunale Bauaufträge kurz nach der Wende vielerorts ab. Bei Klärwerken waren zum Beispiel 20 Prozent Schmiergeld durchaus üblich. Das Ergebnis sind viel zu große Anlagen, die nach ihrer Fertigstellung die öffentlichen Kassen und die AnwohnerInnen belasten.

In der sogenannten Dritten Welt führt diese Tendenz zu dramatischen Folgen. „Der Energiesektor in Afrika, Lateinamerika und Asien ist übersät mit sinnlosen, überdimensionierten Kraftwerken. Manche sind extrem schädlich für die Umwelt“, konstatiert Peter Eigen, der die TI in Lima vertritt. Etwa ein Drittel der Staatsverschuldung dieser Länder sei auf die Folgen von Korruption zurückzuführen.

Korruption ist zudem fortschrittsfeindlich. Nicht Qualität und der neueste Stand der Technik zählen. Vielmehr ist die gutgefüllte Schwarzkasse der entscheidende Faktor. Und über die verfügen vor allem die alteingesessenen Giganten. Zudem haben sie über direkte Kontakte zu Ministern und anderen hohen Tieren und dank internationaler Verflechtung gute Möglichkeiten, die Wege des Bestechungsgelds zu verschleiern.

Deutsche Unternehmen müssen hierzulande nichts fürchten, wenn sie in anderen Ländern mit unsauberen Methoden an Aufträge herankommen. „Im Ausland kann es der üblichen Sitte und Höflichkeit entsprechen, Geschenke geben zu müssen“, schreibt der Bund der Deutschen Industrie (BDI). Zwar plädiert der Verband grundsätzlich dafür, allenfalls Kugelschreiber und Kalender zu verteilen. Doch „Ausnahmen müssen zulässig sein, insbesondere wenn ein Markt dies von allen Wettbewerbern verlangt“.

Bis Ende 1995 konnten deutsche Firmen ihre Schmiergelder als „nützliche Ausgaben“ von der Steuer absetzen. Seither ist das nur noch bei Auslandsgeschäften möglich, während im Inland neue Regeln gelten: Wenn es im Zusammenhang mit der Bestechung zu einer rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist, darf das Unternehmen den Steuervorteil nicht mehr geltend machen. Doch zu einer Verurteilung kommt es selten.

Die Finanzämter sind chronisch unterbesetzt, und das Steuergeheimnis darf nur dann gebrochen werden, wenn die Bestechung „die wirtschaftliche Ordnung erheblich stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden erheblich erschüttern“ würde. Zudem kann die Staatsanwaltschaft von sich aus nur dann aktiv werden, wenn ein Staatsdiener an der Bestechnung beteiligt ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ingomar Hauchler schätzt, daß dem deutschen Fiskus etwa fünf Milliarden Mark Steuereinnahmen als Folge von Korruption verlorengehen.

Immerhin beschloß der Bundestag im Sommer das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, das höhere Strafen als bisher für Bestechung und Bestechlichkeit vorsieht. Damit reagierte Deutschland auf den internationalen Druck insbesondere der OECD und den USA. Dort sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten immerhin eine ganze Reihe Manager großer Konzerne für mehrere Jahre ins Gefängnis gewandert.

Doch Gesetze allein genügen nicht. „Wer bei Korruption schon einmal aufgefallen ist, darf keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen“, fordert Christian Busold von den Bündnisgrünen. In Berlin, Hessen und Bayern gibt es erste Ansätze in dieser Richtung. Auch die SPD will ein Korruptionsregister und außerdem einen häufigeren Personalwechsel auf bestimmten Posten in der öffentlichen Verwaltung.

In Lima steht nicht nur die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit auf der Tagesordnung. Die NGOs wollen ihre Erfahrungen mitteilen, wie die Bevölkerung Licht in dunkle Amtsstuben und Chefetagen bringen kann. Denn Politikern und Beamten allein wollen sie das Feld der Korruptionsbekämpfung nicht mehr überlassen. Die sind häufig das Problem und nicht die Lösung.

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