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Mit dem Ringnetz gegen Radler

Ein paar Velo-Routen im nächsten Jahrtausend will Bausenator Wagner nicht unbedingt verhindern, falls es soweit kommen sollte  ■ Von Heike Haarhoff

Der Verkehrspolizist guckt den Autos an der Ecke Bornstraße / Heinrich-Barth-Straße am Grindel hinterher. Einige bremsen sogar ab, wenn sie das neue Verkehrsschild „Fahrradstraße“passieren. Mehr als Schrittfahren ist hier nicht mehr erlaubt, und das auch nur für AnliegerInnen. Ansonsten gilt: Freie Fahrt für RadlerInnen. „Leider kann das niemand kontrollieren“, seufzt der Polizist.

Bausenator Eugen Wagner hörte ihn gestern nicht. Ein paar Kilometer entfernt in seiner Behörde an der Stadthausbrücke war er mit Lobeshymnen auf seine sozialdemokratische Radverkehrspolitik beschäftigt: „Die erste Strecke unseres Velo-Routen-Netzes, die von Lokstedt zur Uni, ist bereits im Bau“; die Heinrich-Barth-Straße gehört dazu. Velo-Routen, ergänzte Wagners behördeneigene Fahrradbeauftragte Dagmar Meyer, „sind die innerstädtischen Autobahnen für Radfahrer“. Und von denen solle die Elb-Metropole viel mehr bekommen, empfahlen von der Baubehörde beauftragte Gutachter der Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) aus Hannover dem Senator gestern unwunschgemäß. „Ja, langfristig“, murmelte der bloß.

Für 100.000 Mark Steuergelder waren die Verkehrsgutachter in den vergangenen Wochen durch Hamburg geradelt – auf der Suche nach den Strecken, die „Radfahrer im Alltagsverkehr“besonders häufig zurücklegen. Das Ergebnis: Zehn Velo-Routen, die sternförmig wie Ausfallstraßen von Ost nach West und von Nord nach Süd die Stadt durchkreuzen. Diese „Radialverbindungen“würden durch zwei „Ringverbindungen“(ähnlich den Autoringen 1 und 2) vernetzt. Insgesamt wäre das Velo-Routen-Netz dann 270 Kilometer lang; ein gutes Maß, finden die Gutachter: Berlin und München, die ähnliche Konzepte aufstellen ließen, errechneten 350 bzw. 240 Kilometer.

Umgesetzt freilich hat die Forderungen bislang keine der beiden Städte, und da will auch Wagner nicht aus der Reihe tanzen: „Aus dem Boden stampfen können wir das nicht.“Warum eigentlich nicht, fragen sich die GAL und die Greenpeace-Gruppe Hamburg, die ihrerseits das Gutachten „begrüßen“und allein den „politischen Willen des Bausenators anzweifeln“. „Die Kosten“, kontert Wagner. Die nämlich liegen laut PGV bei 300.000 bis 400.000 Mark pro Kilometer. Folglich würde das Gesamtnetz „mindestens“80 Millionen Mark verschlingen, im Haushalt aber sind zur „Förderung des Radverkehrs“jährlich regulär nur 3,3 Millionen Mark vorgesehen.

Die Velo-Routen nutzen weitestgehend das bestehende Radwegenetz (3.900 Kilometer). Weshalb sie dann noch so teuer sein müssen? Warum es Amsterdam und Göteborg vor Jahren schon gelang, mit ein paar Pinselstrichen fahrradfreundliche Städte zu schaffen? Die Routen müßten beschildert werden, damit sie jeder finde, wand sich Wagner. An einigen Stellen müßten zudem Vorfahrtsregelungen neu gebaut und Ampeln möglicherweise umgeschaltet werden. Die Velo-Routen würden daher „schrittweise“gebaut, grinste Wagner.

„Scheiß-Radler“, pflichtete ihm ein Autofahrer in der Heinrich-Barth-Straße gestern bei.

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