: Vietnamesin darf bleiben
■ Die Zwölfjährige, die im April abgeschoben werden sollte, erhielt jetzt eine Duldung. Rückkehrmöglichkeit für abgeschobenes vietnamesisches Kind abgelehnt
Die zwölfjährige Vietnamesin H. kann nachts wieder ruhig schlafen. Die Ausländerbehörde hat ihr eine Duldung erteilt. Im April war das Mädchen, das als Kleinkind von den Eltern verlassen wurde und seit sechs Jahren bei ihrem Onkel in Berlin wohnt, zur Ausreise aufgefordert worden.
Die damalige Sprecherin der Innensenatsverwaltung, Francine Jobatey, hatte im April gegenüber der Presse erklärt, die deutsche Botschaft hätte Kontakt zu den Eltern aufgenommen. Diese hätten die Rückkehr der Tochter beantragt. Das Auswärtige Amt hatte hingegen auf Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Christa Nickels einen Kontakt zu den Eltern definitiv verneint. Mit der Erteilung der Duldung gestand die Innenverwaltung jetzt indirekt ein, falsche Angaben gemacht zu haben. Bestünde nämlich tatsächlich ein Wunsch der in Vietnam lebenden Eltern nach Rückkehr des Kindes, wäre sie völkerrechtlich verpflichtet, dem nachzukommen. Die Pressestelle der Innenverwaltung erklärte gestern, die Duldung ausschließlich wegen der Suizidgefahr der Schülerin ausgesprochen zu haben.
Die Ausländerbehörde hatte H. in den letzten Wochen mehrfach aufgefordert, ihre Flugtauglichkeit durch einen Polizeiarzt prüfen zu lassen. Jetzt erteilte sie die Duldung für die geradezu rekordverdächtige Dauer von sechs Monaten. Rita Kantemir, die sich für H.s Bleiberecht eingesetzt hatte, erklärte: „Der Fall zeigt, daß die Ausländerbehörde Anträge auf ein Bleiberecht für Flüchtlingskinder bewilligt, wenn ein Vormund richtige Anträge stellt.“
H.s Notar Hans-Joachim Ehrig geht davon aus, daß H. spätestens bis Jahresende von Onkel und Tante, die beide die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, adoptiert sein wird. Damit hätte das Kind ein Dauerbleiberecht und sogar gute Karten in einem Einbürgerungsverfahren.
Ein anderes vietnamesisches Mädchen, die im Januar abgeschobene inzwischen dreizehnjährige Ha Phuong Nguyen, wartet in Hai Phong dagegen immer noch auf ihre Wiedereinreise. Ihre Lehrerin Jutta Cassau, die das Kind adoptieren möchte, hatte dies in einer Petition beantragt. Obwohl der Petitionsausschuß sich dafür aussprach, lehnte die Innenverwaltung diese Bitte ab. Jetzt erfuhr Jutta Cassau, daß der Petitionsausschuß des Bundestages und die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sich des Kindes annehmen wollen. Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann erklärte, die Abschiebung eines Kindes, ohne eine Betreuung organisiert zu haben, sei „ein eklatanter Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention der UNO“. Marina Mai
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen