: Politbüro-Allüren in der SPD
■ Konflikt über Verkäufe von Landesvermögen: Weil die Partei mit ihrem Gesamtkonzept zu spät kommt, soll das Parlament seine Etatberatungen verschieben. SPD-Spitze will den Parteitag vorziehen
In der SPD ist ein Konflikt über den wichtigen Herbstparteitag aufgebrochen. Der Parteikonvent sollte die in der SPD umstrittene Frage weitreichender Privatisierungen und Vermögensverkäufe diskutieren, bevor in Senat und Abgeordnetenhaus darüber Entscheidungen fallen. Wie sich gestern herausstellte, kommt die Partei jedoch zu spät. Wenn die SPD am 29. November über ein Gesamtkonzept berät, ist das Parlament bereits im Etat-Endspurt.
Nach Angaben von SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung hat Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) gestern darauf gedrängt, das SPD-Delegiertentreffen in der Kongreßhalle am Alex auf Mitte November vorzuziehen. Sonst sei eine Einflußnahme auf die Etatberatungen nicht mehr möglich. Laut Terminplan des Haushaltsausschusses ist für den 28. November die Schlußberatung vorgesehen.
Partei- und Fraktionsspitze der SPD signalisierten, daß man über eine Vorverlegung des Parteitages „noch mal sprechen muß“. Der stellvertretende Parteichef Hermann Borghorst sagte, „wir müssen die Chance haben, daß unser Gesamtkonzept zur Vermögenspolitik noch Auswirkungen auf den Etat hat“.
Borghorsts Chefkollege Klaus- Uwe Benneter verlangt indes in bester Politbüromanier vom Parlament, die Etatberatungen zu verschieben. „Die müssen eben sehen, wie sie mit ihrem Terminplan zu Rande kommen.“ Die von der SPD eigens eingesetzte „Arbeitsgruppe Vermögensaktivierung“ müsse in Ruhe beraten, wie 12 Milliarden Mark durch den Verkauf von Tafelsilber zu erwirtschaften seien. „Ich sehe nicht, wie das schneller gehen soll“, sagte Benneter, der für den linken Parteiflügel spricht.
Hintergrund der Auseinandersetzungen ist der geplante Verkauf staatlichen Eigentums in Höhe von 12 Milliarden Mark. Für den Haushalt 1997 und 1998 sind jeweils 6 Milliarden Mark vorgesehen, die aus der Privatisierung der Wasserbetriebe, dem teilweisen Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft Gehag sowie der Veräußerung landeseigener Immobilien erlöst werden sollen.
Auf dem Parteitag konnte ein Richtungsstreit darüber nur durch Einsetzung der AG Vermögensaktivierung vermieden werden. Gleichzeitig blockierte der August- Parteitag Parlament und Regierung: Vor der Meinungsbildung in der Partei „dürfen keine Grundsatzentscheidungen zu Vermögensveräußerungen getroffen werden“, lautete der SPD-Beschluß. Im Parlament gibt es von den Bündnisgrünen bis zum Parlamentspräsidenten kein Verständnis für eine Verschiebung des Budgetbeschlusses 1998. Christian Füller
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