In Lindenblättern steckt Eulalia

■ Dieter Löbach versieht im Theater im Zimmer Kotzebues „Menschenhaß und Reue“ mit trashig überzogener Ironie

„Holt die Wäsche rein! Komödianten sind in der Stadt!“ rief man früher durch die Gassen, wenn ein Gauklertrupp sich näherte. Das eine oder andere Oberkleid hatte die Truppe wohl doch ergattert, die Donnerstag auf der Bühne im Theater im Zimmer stand. Mit Damenputz und Herrenstaat, hier ein Röckchen, dort ein buntes Mützchen, Schnallenschuhen und Sonnenschirm, wehenden Röcken über gerüschten Beinkleidern, Narren in Sackleinen zwischen bunten Wiesenfaltern, stellte Dieter Löbach mit seiner Premiere von Menschenhaß und Reue von August von Kotzebue eine kleine Kaprice vor, die von der ersten bis zur letzten Minute als Augenweide genossen wurde. Eine derartig prächtige, sinnlich-lustvolle Kostümierung gab es in Hamburgs Theatern in den letzten Jahren nicht zu sehen.

Gespielt wurde ein banales Stück eines verpönten Autors. Baroneß Eulalia brennt in dem „rührend dramatischen Schauspiel“ aus dem Jahr 1788 mit dem Freund ihres Mannes durch. Jetzt bereut sie – entehrt – auf dem Lande die Verfehlung, während ihr Gatte mit einem Diener misanthropisch zurückgezogen lebt. Das Schicksal spielt den beiden Zertrennten gütlich zu, so daß sie sich am Ende wiederfinden.

Dieser wenig beachtenswerte Inhalt wird von dem achtköpfigen Ensemble mit derart artistischer Brillanz und trashig überzogener Ironie auf die Bühne gezaubert, daß das Publikum immer wieder die Überraschung goutiert, wenn es unter den Lindenblättern Eulalia entdeckt oder wenn in Lottes gerafften Röcken Peter steckt. Die ursprünglich ernsthaften Passagen, wie Eulalias Rückschau auf ihr früheres Glück, werden nölend-quengelig ebenso großartig herausgespielt wie die komödiantische Schlußszene mit der romantischen Familienzusammenführung.

Es hat sich gelohnt, auf die Kapriolen zu setzen, die Kotzebue wunderbar verstand. Aber hüten Sie sich, man kann auch in diesem Stück an den falschen Stellen lachen. Elsa Freese