: Das Abschiebekommando kam nachts
■ Bremerhaven versucht, bosnische Kriegsflüchtlinge mit unmenschlicher Härte abzuschieben: Nächtliche Polizeiaktion gegen Familie, die ohnehin in wenigen Tagen freiwillig ausreisen wollte
Das Bremerhavener Ausländeramt geht gegen bosnische Kriegsflüchtlinge mit Härte vor. Eine erste Polizeiaktion gegen eine dreiköpfige Flüchtlingsfamilie gestern früh um fünf Uhr ist offenbar nur der Auftakt zu einer beschleunigten Gangart: Während die Familie vor Gericht noch darum kämpfte, eine per Innenministerverfügung einst aberkannte Duldung wiederzubekommen, stand das Abschiebekommando schon auf der Türschwelle, um mit Mutter, Vater und minderjähriger Tochter kurzen Prozess zu machen. Dieser – im Land Bremen bisher einmalige – Versuch scheiterte nur, weil das Mädchen nicht in der elterlichen Wohnung schlief.
Der Bremer Anwalt der Familie L., Dr. Holger Hoffmann, ist über die Nacht- und Nebel-Aktion der Polizei entsetzt – „weil damit alle politischen Aussagen im Hinblick auf eine –Rückkehr in Würde' mißachtet werden“. Aber mehr noch, weil die Familie sich nach der mehrmaligen Verlängerung einer Aufenthaltsbescheinigung beim Ausländeramt, zuletzt bis zum 22. September, in Sicherheit wiegte. Erst als das Bremer Verwaltungsgericht den Antrag der Familie auf vorläufigen Rechtsschutz, und damit auf ein vorläufiges Bleiberecht, vor drei Tagen abgelehnt hatte, erklärten die L.'s in einem Fax gegenüber der Ausländerbehörde, freiwillig ausreisen zu wollen. Das Schreiben konnte die bereits geplante Polizeiaktion nicht mehr stoppen.
Über die Polizeiaktion ist nicht nur die betroffene Familie überrascht, sondern auch eine Kollegin von Herrn L.: Daß die Familie nicht „nicht holterdipolter von einem Tag auf den anderen ausreisen muß“, habe man Frau L. doch noch jüngst bei der Ausländerbehörde bestätigt. „Da war ich dabei“, bestätigt die deutsche Personalsachbearbeiterin aus dem Betrieb, in dem Herr L. als Schweißer beschäftigt ist – wie übrigens zuvor sein Vater, der 30 Jahre lang als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet hat. Zu ihm war die Familie vor fünf Jahren aus dem Kriegsgebiet um Tuzla geflohen. Er sucht seit Tagen in Bosnien eine Bleibe für seine Kinder und die Enkelin – denn in deren alter Wohnung wohnen jetzt bosnische Flüchtlinge, die aus der Republik Srpska vertrieben wurden. Auch Arbeit werden die Deutschland-Rückkehrer nicht haben. Der alte Arbeitsplatz von Herrn L. existiert nicht mehr. All das würdigte auch das Bremer Verwaltungsgericht – trotz ablehnendem Beschluß: "Es besteht die Gefahr, daß die Antragsteller in Bosnien-Herzegowina zumindest teilweise Schwierigkeiten hinsichtlich des Erreichens eines Existenzminimums, insbesondere bei der Versorgung mit den nötigsten Lebensmitteln, ausgesetzt wären.“„In Deutschland hat die Familie nie Sozialleistungen in Anspruch genommen“, betont deren Anwalt in einem Schreiben an Oberbürgermeister Richter.
Der will die jüngsten Vorgänge politisch nicht kommentieren – „nur juristisch – und da war alles in Ordnung. Wenn ein Klageweg erschöpft ist, wird zügig reagiert.“Die Familie hätte schon Mitte August ausreisen sollen. Heute sei die Ausländerbehörde aber „überzeugt, daß sie freiwillig ausreisen will“. In wenigen Tagen solle es soweit sein.
Andrea Frohmader von der Bosnien-Hilfsorganisation „Brücke der Hoffnung“ist betroffen: „Daß man nach so einem Gerichtsurteil nicht mal eine Schamfrist von vier Wochen läßt, finde ich menschlich fragwürdig“, sagt sie. ede
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen