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Finanzieller Kahlschlag an den Hochschulen

■ Hamburgs Hochschul-PräsidentInnen kritisieren gemeinsam den Senat

„Von Verschlankung zu reden, wenn das Stadium der Magersucht bereits erreicht ist, ist zynisch.“ Einstimmig kritisierten die PräsidentInnen der sechs Hamburger Hochschulen gestern die Sparpläne des Hamburger Senats für 1996/ 97. Sollten die Haushaltsberatungen Ende Juni zu keinem anderen Ergebnis kommen, wird der Etat der Wissenschaftsbehörde durch Stellenstreichungen um 26,88 Millionen Mark gekürzt. „Das kommt einem finanziellen Kahlschlag gleich“, warf der Präsident der Fachhochschule, Rolf Dalheimer, dem Senat vor. Lehre und Forschung und damit „die Zukunft dieser Stadt“ würden gefährdet.

Die Mittelkürzungen entsprechen einer Sparquote von 16 Prozent. Dahinter verbirgt sich eine, so Dalheimer, „überzogene“ Forderung: Allein der Hochschulbereich soll Summen einsparen, die prozentual doppelt so hoch sind wie der Anteil der Wissenschaftsbehörde am Hamburger Personalhaushalt. „Klar ist, daß wir diese Leistungen nicht erbringen können.“

Den Löwenanteil der Einsparungen soll die Universität mit 21,4 Millionen Mark – das sind rund 250 Arbeitsplätze – tragen. Dazu müßte in den kommenden acht bis zehn Jahren jede zweite freiwerdende Professoren- und Dozentenstelle gestrichen werden. „Faktisch ist das unmöglich“, erklärte Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Sollte der Stellenabbau durchgesetzt werden, müsse die Universität die Zahl der StudienanfängerInnen jährlich um ein Fünftel von bisher 8500 auf 6800 reduzieren: „Viele Studierende aus Hamburg können dann nicht mehr in ihrer Heimatstadt studieren.“ Zu befürchten sei, daß der Numerus Clausus für viele Fächer empfindlich steige. Derzeit gibt es in Hamburg 60.000 Studierende.

Die Hochschule für Wirtschaft und Politik soll auch „abspecken“: 12,5 Prozent der Studienplätze müßten ersatzlos gestrichen und jede der nächsten zehn freiwerdenden Professorenstellen nicht wiederbesetzt werden. „Wir kennen die katastrophale Haushaltslage. Aber diese Einsparungen lassen uns überhaupt keinen Spielraum mehr“, warnte Präsident Lothar Zechlin vor den Auswirkungen auf die Lehrinhalte. Die Qualität der Ausbildung sieht auch Adrienne Goehler, Präsidentin der Hochschule für bildende Künste, akut gefährdet: „Studierende können dann allenfalls theoretisch lernen, wie ein Film gedreht wird. Die praktische Anwendung scheitert an den Finanzen.“

Die Wissenschaftsbehörde wollte gestern wegen der laufenden Haushaltsberatungen keinen Kommentar abgeben. Sie strebe aber an, die einzusparende Summe „anders“ zu verteilen. Wie? - das müßten die Hochschul-PräsidentInnen wissen. Heike Haarhoff

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