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Schlucken, rülpsen, abkassieren

Hapag-Lloyd will TUI kaufen. Damit würde sie deutscher Urlaubsriese Nr.1  ■ Von Florian Marten

Kaum hat sich die Aufregung gelegt über die Übernahme der Hamburger Traditionsfirma Hapag-Lloyd (HL) durch die Preussag, da schreitet Hapag-Lloyd-Chef Bernd Wrede zur Tat. Wie von Insidern längst erwartet, kündigte er jetzt die Übernahme des deutschen Reisegiganten TUI durch Hapag-Lloyd an. Wenn die HL-Tourismusabteilung (Reisebürokette, Flugzeuge) und der Riese TUI zusammengelegt werden, entstünde der größte deutsche Reiseunternehmer und ein europäisches Tourismusunternehmen der Extra-Klasse: Gesamtumsatz mehr als 12 Milliarden Mark.

Derzeit hält die WestLB 30 Prozent an TUI. Diese Anteile wird sie voraussichtlich teuer an Hapag-Lloyd verkaufen. Und wird dabei gleichzeitig ihr Sorgenkind LTU (Charterflug) und die Reisebürokette Thomas Cook los.

Falls das Kartellamt mitspielt, machen in Deutschland künftig nur noch zwei große Gruppen das Reisegeschäft unter sich aus: die „rote Gruppe“der WestLB und die „gelbe Gruppe“von Lufthansa und NUR, die sich demnächst ebenfalls zusammenschließen wollen.

Das Streben nach Marktmacht ist aber nicht der Hauptgrund für den Hapag-TUI-Deal. Vor allem geht es um ein raffiniertes Finanzspiel, bei dem am Ende die WestLB als absolute Siegerin dasteht.

Ein Coup, der in mehreren Phasen abläuft:

Phase 1: Preussag (von der WestLB kontrolliert) schluckt Hapag für satte 1,4 Milliarden Mark. Überteuert, sagen Insider. Doch das „Startgeld“wird in den nächsten Phasen mehr als zurückgeholt.

Phase 2: Hapag-Lloyd schluckt die TUI. Für 30 Prozent von TUI zahlt Hapag einen überzogenen Preis von rund 500 Mio. Mark an die WestLB. Weitere 20 Prozent wird Hapag wohl von der Schickedanz-Gruppe (Quelle) zukaufen. Damit hat die WestLB zum ersten Mal kräftig Kasse gemacht, gleichzeitig ist der Besitz in der Familie geblieben und hat dabei sogar noch an Wert gewonnen.

Phase 3: Die Börse darf Hapag-Anteile schlucken. 49 Prozent der Hapag Lloyd sollen von der Hapag-Lloyd-Besitzerin Preussag an die Börse gebracht werden. HL-Chef Wrede glücklich: „Hapag wird dann eine große deutsche Börsengesellschaft.“Läuft alles gut, dann hat die Preussag schon mit diesem Deal den Großteil ihres 1,4 Milliarden-Startgeldes wieder heraus.

Phase 4: TUI-Anteile gehen an die Börse. Damit macht Hapag jetzt selbst Kasse.

Phase 5: Hapag schluckt LTU und Thomas Cook. Mit dem Börsengeld des TUI-Teilverkaufs kann Hapag-Lloyd anschließend die WestLB endgültig glücklich machen: Hapag kauft der WestLB LTU und Thomas Cook ab.

Das Endergebnis kann sich sehen lassen: Die Preussag ist fast kostenlos an Hapag-Lloyd gekommen. Die WestLB hat ihre Bilanzen mächtig aufgebessert und kontrolliert über die Preussag Europas größten und einträglichsten Reiseveranstalter, den Hapag-Llyod-Konzern.

Allein um die Traditionsreederei Hapag-Lloyd könnte es schlecht bestellt sein. Zwar will Wrede die knallhart durchrationalisierte Linienschiffahrt vorerst behalten und sogar noch ausbauen. Doch Insider interpretieren Wredes Mahnung, für einzelne Teilbereiche gebe es „keine Bestandsgarantie auf ewig“, als Signal für den mittelfristigen Abschied von der Seefahrt.

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