: Sponsoren und Sandflöhe
„So eine Veranstaltung kann man nicht am Strand machen“: Beachvolleyball sucht bei seiner ersten Weltmeisterschaft seltsame Orte auf ■ Aus Los Angeles Nina Klöckner
Das ist selbst den Amerikanern zuviel. Daß die Beachvolleyballer jetzt auch ihre eigene Weltmeisterschaft haben, okay. Daß sie dafür aber die Tennisplätze der Universität mißbrauchen, wo doch vor den Toren der Stadt kilometerlange Strände liegen, kapiert keiner. Die Veranstalter wollten dafür sorgen, mutmaßt die Los Angeles Times, daß sie ihre Sponsoren umschwänzeln können, ohne daß diese von Möwen und Sandflöhen belästigt werden. Den wahren Grund kennt niemand. Doch alle sind sich einig: Beachvolleyball gehört in Kalifornien an den Strand.
Dort hat vor knapp 70 Jahren schließlich alles begonnen. Glaubt man den Amerikanern. Das erste offizielle Beachvolleyball-Turnier jedenfalls, soviel ist sicher, fand 1948 am State Beach statt. Deshalb ist es für die Amerikaner selbstverständlich, daß auch die Premiere der WM in ihrem Land stattfindet. Außerdem „ist Los Angeles die größte Sportstadt der Welt“, sagte Bürgermeister Richard J. Riordan. Nach den Olympischen Spielen, der Fußballweltmeisterschaft und dem Super Bowl sei die Beachvolleyball-WM eben der nächste Höhepunkt in seiner Stadt.
Auch sonst sind die Gastgeber nicht gerade bescheiden. Die nationale Volleyballzeitschrift überschrieb ihre jüngste Titelgeschichte mit „U.S. against the World“ – USA gegen den Rest der Welt. Daß der Rest tatsächlich mitmachen darf, war allerdings nur dem Kleingedruckten zu entnehmen. Böse darf man dem Heft trotzdem nicht sein, weil es der Realität ziemlich nahe kommt.
Potente Sponsoren für die Veranstaltung waren schnell gefunden. Allerdings hatten die Partner aus der Wirtschaft auch ihre ganz persönlichen Vorstellungen: Mindestens ein Viertel aller Teilnehmer sollte aus den Vereinigten Staaten kommen. Das ist ungewöhnlich für eine WM, den amerikanischen Geldgebern aber offensichtlich wichtiger als ein möglichst multinationaler Wettbewerb. Der internationale Verband (FIVB) hatte auch nichts einzuwenden, weil er in der WM wohl die Chance sieht, sich endlich mit seinem ärgsten Feind, dem US-Profiverband der Männer (AVP), zu versöhnen. Also wurden von den jeweils 32 Teilnehmern des Hauptfeldes bei den Frauen und den Männern acht Mannschaften des Gastgebers automatisch gesetzt. 16 wurden über die Weltrangliste nominiert, der Rest mußte sich für die übrigen acht Plätze durch die Qualifikation wühlen.
Daran teilzunehmen war allerdings mutig. Gespielt wird in Los Angeles nach einem neuen Modus, der „single elimination“. Wer einmal verliert, kann seine Koffer packen. Das ist leichter nachvollziehbar fürs Publikum, aber ziemlich bitter für die Sportler. Bisher hatten alle Mannschaften zumindest noch eine zweite Chance. Aus Deutschland trauten sich dennoch sieben Teams nach Los Angeles. Von den Frauen qualifizierten sich immerhin Gudula Staub und Ulrike Schmidt (MÜnster), nur um dann gleich in der ersten Runde gegen das US-Duo Carolyn Kirba und Nancy Reno mit 7:12, 8:12 auszuscheiden. Kaum besser erging es den an Nummer 6 gesetzten Danja Müsch und Maike Friedrichsen (Münster und Hamburg), die zwar das Achtelfinale erreichten, aber dort in drei Sätzen an den Brasilianerinnen Magda Lima und Siomara Souza scheiterten.
Bei den deutschen Männern sah es noch bitterer aus: Sowohl Jörg Ahmann und Axel Hager (11:12, 3:12 gegen Guilherme/Para aus Brasilien) als auch die beiden anderen Paare Sven Anton/Stefan Pomerenke (9:12, 3:12 gegen die Amis Kent Steffes und Dain Blanton) und Oliver Oetke/Edgar Krank mußten sich bereits nach der ersten Hauptrunde verabschieden. Dabei wurden vor allem Oetke/Krank von den an Nummer 1 gesetzten Brasilianern Anjinho und José Loiola beim 1:12, 8:12 fast vorgeführt.
Karch Kiraly, allseits präsente Beach-Legende, glaubt, daß der Wettbewerb gerade durch den neuen Modus „spannender wird als alles, was wir bis jetzt am Strand gesehen haben“. Für ihn ist die Regel auch nicht schlimm, schließlich hat Amerikas prominentester Volleyballer alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, zuletzt die erste olympische Goldmedaille im Sand. Umsonst wird niemand nach Los Angeles reisen, dafür haben die Sponsoren gesorgt. Insgesamt 600.000 Dollar werden sie unter den Teilnehmern verteilen. Und zum ersten Mal können die Frauen genausoviel Preisgeld mit nach Hause nehmen wie die Männer.
Allerdings haben sich die Amerikaner auch hier etwas Nettes einfallen lassen: Wer das Geld außer Landes bringen will, kann an der Grenze gleich 37 Prozent abgeben.
Gekommen sind sie auf jeden Fall trotzdem alle, die Europäer und Asiaten, um bei der Veranstaltung der Erfinder des Beachvolleyballs dabeizusein. Sogar während der Qualifikation waren die Tribünen schon ganz gut gesucht. Das Meer fehlt, dafür ist Hollywood nah. „Eine solche Riesenveranstaltung“, sagte Karch Kiraly, „kann man nicht am Strand machen.“ Und der hat nicht nur locker das Viertelfinale erreicht, dem glauben sie hier in diesen Tagen alles.
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