piwik no script img

Reiche zahlen wenig Steuern

■ In Bremen gibt es 280 Einkommensmillionäre, Tendenz stark steigend / Bonner Steuerpolitik entlastet die Wohlhabenden und kostet das Bremer Staatssäckel 160 Millionen Mark im Jahr

Ganz Deutschland stöhnt unter der hohen Steuerlast. Ganz Deutschland? Nein. Die wachsende Gruppe der Einkommensmillionäre hört nicht auf, ihr Geld dem gierigen Griff des Fiskus zu entziehen oder die gnädigen Steuergeschenke der Regierung Kohl dankbar anzunehmen.

Besonders, wer mehr als fünf Millionen Mark pro Jahr einstreicht, kann den sogenannten Spitzensteuersatz von 53 Prozent gelassen sehen. Die elf Bremer Superreichen, die nach den neuesten jetzt verfügbaren Zahlen des statistischen Landesamts 1992 mehr als zehn Millionen Mark im Jahr eingestrichen haben, zahlten einen Steuersatz von 41,1 Prozent.

Ihre 21 unwesentlich ärmeren Standesgenossen (mit Einkommen zwischen fünf und zehn Millionen) mußten nur 40,4 Prozent ans Finanzamt abführen. Insgesamt gab es 1992 in Bremen 280 Einkommensmillionäre, die zusammen fast 900 Millionen Mark verdient haben. Drei Jahre zuvor waren es erst 213. Mit 41 je 100.000 Einwohner liegt das Land Bremen damit hinter Hamburg (68) und dem Westteil Berlins (59) mit Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg auf Rang drei der Einkommensmillionärsdichte.

„Diese Gruppe“, so analysiert der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Carsten Sieling, „erfährt mit der Streichung der Vermögenssteuer weitere Entlastungen“. Denn nicht nur Einkommen macht reich: Zu den 280 Bremer Einkommensmillionären kamen 1992 mehr als 1.000 weitere Steuerpflichtige, die für Vermögen von mehr als eine Million Mark Vermögenssteuer zahlen mußten. Das ist vorbei, seit die Bonner Koalition für 1997 die Vermögenssteuer abgeschafft hat.

Die Bundesländer kommt das teuer zu stehen: Denn die Vermögenssteuer floß bis dahin ausschließlich in die Länderkassen. Bremen nahm daraus jährlich um die 80 Millionen Mark ein. SPD-Mann Sieling schätzt, daß dem Land bis zum Jahr 2000 406 Millionen Mark an Einnahmen entgehen.

Und auch die von Bonn betriebene Entlastung der Einkommenssteuer, so wie die inzwischen abgeschaffte großzügige Sonderabschreibung für Investitionen in Ostdeutschland, schlägt durch in die Etats der Länder. Denn die Wohlhabenden, die sogenannten „Leistungsträger“, die die Bonner Koalition entlasten will, zahlen immer weniger Einkommenssteuer. Bremen allein gehen dabei nach den Berechnungen Sielings weitere 80 Millionen Mark im Jahr verloren. Seit 1983 habe die Steuerpolitik der Kohl-Regierung Bremen 1,8 Milliarden Mark gekostet, schätzt die SPD. Zudem wird der Etat Bremens immer stärker von Lohnsteuerzahlern getragen. Die steuerten 1995 fast 2,6 Milliarden Mark bei, während aus Gewinnsteuern nur 1,4 Milliarden Mark stammten. Die gewünschten Effekte der Bonner Steuerpolitik bleiben aus, findet die SPD und stemmt sich auch deswegen gegen die von Union und SPD angestrebte „Große Steuerreform“. Sie schwäche die Binnennachfragen und untergrabe die Finanzkraft der öffentlichen Hand. Ihr Zeuge ist die Bundesbank: „Die per saldo auf weitere Einnahmeverbesserungen ausgerichtete Steuerpolitik“, heißt es im August-Bericht der Bundesbanker, „erbrachte nicht die erhofften Erträge“.

Joachim Fahrun

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen