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Wird Diepgen der Wasserhahn abgedreht?

■ ÖTV droht bei Privatisierung der Wasserbetriebe mit Streik: Tarifvertrag werde durch Umwandlung in Aktiengesellschaft berührt. Wütende Kanalarbeiter

Dem Roten Rathaus und der Finanzverwaltung in der Klosterstraße droht demnächst der Wassernotstand – bei einem Streik der Wasserwerker ist mit wilden Aktionen zu rechnen. Die Gewerkschaft ÖTV hat bei ihren Mitgliedern jedenfalls eine hohe Bereitschaft ermittelt, sich der geplanten Privatisierung der Wasserbetriebe (BWB) zu widersetzen. Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, daß die Kanalarbeiter zu einigem fähig sind. Dem Innensenator etwa wurde bei einem Streik der Wasserhahn abgedreht. Flugs hatten einige wütende Wasserwerker den Schieber am Fehrbelliner Platz geschlossen. Und auch derzeit ist die Stimmung bei den Beschäftigten miserabel.

Das zeigte sich bei der Personalversammlung vor einigen Wochen, als die anwesenden Politiker gnadenlos ausgepfiffen worden waren. Eine ÖTV-Umfrage unter organisierten Wasserwerkern hat nun ergeben, daß „die überwiegende Mehrheit“ sich gegen die Rechtsformänderung in eine Aktiengesellschaft wendet. Das genaue Ergebnis wird die ÖTV nächste Woche bekanntgeben.

Wie berichtet, plant der Senat eine Veränderung des Statuts der Wasserbetriebe, die der größte Wasserver- und -entsorger in Deutschland sind. Damit könnte das Unternehmen teilweise oder ganz an Private verkauft werden. Bei der Belegschaft, rund 8.000 Beschäftigte kümmern sich ums Berliner Wasser, ist dieser Plan auf wütende Ablehnung gestoßen. Die Wasserbetriebe waren erst 1994 in eine Anstalt des Öffentlichen Rechts umgewandelt worden – samt dem Versprechen, daß es dabei bleiben werde.

Die ÖTV hat unterdessen gegenüber der taz ihre Entschlossenheit betont, im Falle einer Rechtsformänderung das Streikprocedere einzuleiten. „Wir werden dann die Arbeitnehmer zur Urabstimmung aufrufen“, kündigte ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock an. Kock widersprach der Auffassung, daß es sich dabei um „einen politischen Streik“ handelt; ein solcher ist in der Bundesrepublik nicht erlaubt. Die ÖTV geht vielmehr davon aus, daß eine Rechtsformänderung der Wasserbetriebe dem Unternehmen die Möglichkeit zu betriebsbedingten Kündigungen gebe – damit wären tarifvertragliche Vereinbarungen berührt. Streik ist also möglich.

Auch bei den Wasserbetrieben selbst besteht diese Auffassung. Sprecher dämpften jedoch Befürchtungen, im Streikfall sei die Wasserversorgung der Bevölkerung gefährdet. „Alles Wasser, das lebensnotwendig ist, fließt auch bei einem Streik“, versicherte Sprecher Stephan Natz. Notfalls werde die Bundeswehr die Versorgung garantieren. Christian Füller

Foto: Wolfgang Wiese

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