: Baker erzielt Einigung im Westsahara-Konflikt
■ Ein von der UNO überwachtes Referendum über die Unabhängigkeit der früheren spanischen Kolonie soll spätestens in einem Jahr durchgeführt werden
Berlin (taz) – Es war ein zufriedener James Baker, der sich am Dienstag abend im texanischen Houston der Presse stellte. Vor knapp einem halben Jahr war der ehemalige US-Außenminister von UN-Generalsekretär Kofi Annan als Sonderbeauftragter für den Westsahara-Konflikt ernannt worden. Jetzt konnte er im Streit um die von Marokko seit 1976 besetzte ehemalige spanische Kolonie einen ersten Erfolg verkünden.
Nach vier Treffen einigten sich die beiden Konfliktparteien Marokko und die sahraouische Befreiungsfront Polisario „in allen wichtigen Aspekten, die nötig sind, damit die Vereinten Nationen den 1995 ins Stocken geratenen Vorbereitungen für ein Referendum wieder aufnehmen können“, so Baker. Die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des 286.000 Quadratkilometer großen Landstriches an der nordwestafrikanischen Küste gegenüber den Kanarischen Inseln kann laut Baker „in den nächsten zehn oder elf Monaten stattfinden“.
Die marokkanische Delegation, an der neben Regierungschef und Außenminister Abdelatif Filali auch der starke Mann von König Hassan II., Innenminister Driss Basri, teilnahm, mußte im Streit um die Wählerlisten einlenken. Statt der geforderten 180.000 Stimmberechtigten sprach Baker von „rund 80.000“, auf die sich die beiden Verhandlungsdelegationen geeinigt hätten.
Genau wegen dieser Frage waren die Vorbereitungen für ein Referendum, das ursprünglich nach einem 1991 vereinbarten Waffenstillstand bereits für Januar 1992 vorgesehen war, immer wieder hinausgezögert und 1995 endgültig eingestellt worden. Zwar war es kein größeres Problem, die seit Kriegsausbruch zwischen Marokko und der Polisario 1976 in Flüchtlingslagern der Befreiungsfront im westalgerischen Tindouf lebenden Sahraouis zu zählen. Doch in den von Marokko besetzten Gebieten stieß die UN-Mission zur Durchführung eines Referendums in der Westsahara (Minurso) auf erhebliche Probleme. Marokkos Regierung wollte 100.000 zusätzliche Menschen in die Listen eintragen lassen. Als Begründung führte sie an, daß in den Jahren der spanischen Kolonialherrschaft viele Menschen den Landstrich verlassen hätten, um in den marokkanischen Städten vor politischer Repression und wirtschaftlicher Not Zuflucht zu suchen.
Die Polisario sah darin den Versuch, die Volksabstimmung zugunsten eines Verbleibs der Westsahara bei Marokko zu beeinflussen. Sie berief sich auf die letzte Volkszählung der Kolonialverwaltung von 1974. Damals wurden 74.000 Erwachsene registriert. Die Einigung auf 80.000 kommt den Wünschen der Polisario sehr nahe.
Ahmed Bujari, Sprecher der sahraouischen Delegation und UN-Botschafter der 1976 ausgerufenen Demokratischen Arabischen Republik Sahara, sieht den nächsten Monaten mit verhaltenem Optimismus entgegen: „Wir haben zwar den toten Punkt überwunden, das heißt aber noch lange nicht, daß es jetzt keine Probleme mehr gibt.“ Doch wenn alles läuft wie geplant, „haben wir in einem Jahr entweder einen neuen Staat im Maghreb oder eine Ausdehnung des marokkanischen Staatsgebietes nach Süden“. Egal wie die Abstimmung ausgehe, die Polisario werde das Ergebnis respektieren. Reiner Wandler
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