: Die meisten Waliser sind Jasager
■ Knapper Erfolg für Tony Blair: 50,3 Prozent stimmen in Wales für eine eigene Abgeordnetenversammlung
Dublin (taz) – Der britische Premierminister Tony Blair ist haarscharf um seine erste Niederlage herumgekommen. Die Waliser nahmen in dem Referendum am Donnerstag seinen Vorschlag für eine walisische Versammlung mit einer Mehrheit von nur rund 7.000 Stimmen an. Bis zur Auszählung des letzten Wahlkreises, Carmarthenshire, lagen die Gegner der Versammlung vorne. Dann behielten die Jasager mit 50,3 Prozent die Oberhand. Nur die Hälfte der Wahlberechtigten war überhaupt an die Urne gegangen.
Blair war dennoch zufrieden. „Wir haben in unserem Wahlprogramm versprochen, die Verfassung zu modernisieren“, sagte er. „Dank der Menschen in Schottland und Wales haben wir zwei große Schritte auf diesem Weg gemacht.“ Schottland hatte vorige Woche mit deutlicher Mehrheit für ein Parlament mit Recht auf Steuervariierung gestimmt. In Wales lagen die Dinge komplizierter, da das Land in einen nationalistischeren Norden und einen mehr englisch orientierten Süden gespalten ist. Ein Fünftel der Bevölkerung spricht walisisch als erste Sprache, ein weiteres Fünftel sind Zuwanderer aus England.
Michael Ancram, der Verfassungsrechtler der Tories, sagte: „Das Volk hat nicht mit einer Stimme gesprochen.“ So reklamierte die Nein-Kampagne einen „moralischen Sieg“ für sich. Ihr Vorsitzender Robert Hodge ermahnte die Labour Party zur Toleranz gegenüber ihren eigenen Dissidenten, die sich gegen eine walisische Versammlung ausgesprochen hatten. Blair hatte die Abtrünningen im Vorfeld gewarnt, sie müßten mit Konsequenzen rechnen, wenn sie nicht den Mund hielten. Bei der Debatte um das schottische Parlament hatte er vorige Woche sogar dafür gesorgt, daß der Labour-Dissident Tam Dalyell aus zwei Talkshows der BBC wieder ausgeladen wurde.
Wales wird nun 1999 eine Versammlung von 60 Abgeordneten wählen, die über Bildung und Wohnungsbau, Gesundheit und Transport, Umwelt und Landwirtschaft entscheiden dürfen. 20 Abgeordnete werden nach dem System der proportionalen Repräsentation ermittelt, so daß auch die Tories wieder vertreten sind.
Blairs Politik zielt jedoch nicht auf Unabhängigkeit ab, sondern im Gegenteil auf den Erhalt des Vereinigten Königreiches, wenn auch mit dezentralisierten Strukturen nach europäischem Muster. Demnächst soll auch den englischen Regionen mehr Macht aus London übertragen werden. Ein Manko sei dabei die unterschiedliche Befugnis der Regionalverwaltungen, meinen Kritiker. In Schottland sei Blair weiter gegangen als in Wales, weil er den starken schottischen Nationalisten den Wind aus den Segeln nehmen wollte. In Wales war das nicht nötig. Blair versicherte gestern denn auch, daß an der Verfassung, die das Vereinigte Königreich festschreibt, nicht gerüttelt werde. Ralf Sotscheck
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