: Windkraft braucht Deutschland
Die Windtechnikbranche muß wachsen, um international mithalten zu können. Diskussion um die Stromeinspeisevergütung verunsichert ■ Aus Husum Ralf Köpke
Beschauliches Spätsommerwetter herrscht seit Tagen in Husum, was vor allem die Touristen in Nordfriesland erfreut. Dagegen ist in der neuen Messehalle, wo bis Sonntag mit der „Husum Wind '97“ die weltweit größte Windenergie- Messe stattfindet, unter den Ausstellern und Besuchern eher die Ruhe vor dem Sturm zu spüren.
Es geht um die Zukunft des Stromeinspeisungsgesetzes. Dieses Regelwerk verpflichtet die Energieversorger, den Ökostrom zu derzeit 17,15 Pfennig je Kilowattstunde in ihr Netz einzuspeisen. Den Versuch von Teilen der CDU/FDP-Bundestagsfraktion, diese Vergütung drastisch zu verschlechtern, hat der Wirtschaftsausschuß vor knapp zwei Wochen erst mal abgelehnt und vertagt, die Verunsicherung in der Windszene ist aber geblieben. „Es ist eine Schlacht gewonnen worden, aber noch nicht der Krieg“, kommentierte der Kieler Energieminister Claus Möller diese Verschiebung in seiner Begrüßungsrede.
Die Hängepartie schlägt sich in den Auftragsbüchern der Windtechnik-Anbieter nieder: „Bei uns liegen Projekte, für die es eine gültige Baugenehmigung gibt, in Höhe von 18 Millionen Mark auf Eis“, klagt Volker König, Geschäftsführer der Nordex Planungs- und Vertriebsgesellschaft aus Melle. In welche Turbulenzen die Bonner Querelen die junge Branche bringen können, zeigte Ende Juli der Konkursantrag gegen die Tacke Windtechnik GmbH, der Nummer zwei auf dem deutschen Markt.
Bei der unsicheren Marktsituation setzen die deutschen Anlagenbieter auf Kooperationen. So einigten sich jüngst die Husumer Schiffswerft GmbH und die Firma Jacobs Energie GmbH aus Heide, beides kleinere Unternehmen, auf eine verstärkte Zusammenarbeit. „Da wir nur 40 Kilometer voneinander entfernt sitzen, ist nicht einzusehen, daß an beiden Orten mehrere Entwicklungsingenieure oder Vertriebsmitarbeiter sitzen“, begründet Firmenchef Hans-Hennig Jacobs den Schritt.
Um auf den neuen Märkten in Südamerika und China überhaupt eine Chance zu haben, zählt nicht nur allein die Technologie. „Sozusagen im Paket muß ich heute als Anlagenanbieter die Finanzierung gleich im Gepäck dabeihaben“, sagt Bjarne Thorup-Jensen, Marketing-Chef beim dänischen Unternehmen NEG Micon. Der weltweit zweitgrößte Windkraftanlagen-Hersteller verdankt diese Position der Fusion der Firmen Nordtank und Micon.
Die größten Geschäfte dürften für die Windtechnik-Anbieter künftig im Reich der Mitte liegen. Bis zum Jahr 2000 sollen nach Beschluß der chinesischen KP-Führung fünftausend Megawatt Windkraftleistung installiert werden.
Wie leicht allerdings solche politischen Ankündigungen zur Makulatur werden können, weiß Klaus Rave nur zu gut. Als Direktor der Investitionsbank Schleswig-Holstein hatte er in den vergangenen zweieinhalb Jahren für die norddeutschen Unternehmen die Exportarbeitsgemeinschaft German Renewable Energy Enterprises (GREE) aufgebaut: „Nach den Parlamentswahlen in Indien und der dann erfolgten Änderung der Steuergesetzgebung ist uns der dortige Markt erst einmal zusammengebrochen.“ Und auch im von der GREE als Zukunftsmarkt gehandelten Vietnam mit seiner windreichen Küste herrscht seit dem letzten Parteitag der kommunistischen Machthaber Flaute.
Einheimische Investoren können für die neuen Megawatt-Anlagen nur gewonnen werden, wenn sie durch die Einspeisevergütung mit einem wirtschaftlichen Betrieb ihrer Anlagen rechnen können. König und andere Hersteller haben in Husum angekündigt, am kommenden Dienstag mit ihrer Belegschaft nach Bonn zu kommen. Vor dem Bundestag wollen sie für den Erhalt des Einspeisegesetzes mit den jetzigen Vergütungssätzen demonstrieren. Immerhin seien in der Branche seit 1991 nach einer Zählung der Bundesregierung rund 15.000 neue Arbeitsplätze entstanden.
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