Weidedamm wächst und wächst

■ Richtfest für 450 Wohneinheiten wo früher Wagenburgler lebten / Luther: Staatlich geförderter Wohnungsbau läuft aus

Der Zaun gegen ungeliebte Gäste an der Baustelle am Weidedamm steht immer noch. Nur bewacht wird das Gelände, das früher Domizil der Bremer Wagenburgler war, längst nicht mehr. Daß sich heute Menschen mit alternativen Lebensvorstellungen hier gewaltsam niederlassen, ist ohnehin nicht mehr vorstellbar: immer noch ist hier Großbaustelle.

Vor zwei Jahren mußten die letzten der über 200 Wagenburgler das Feld am Weidedamm räumen, bürgerlicher Wohnraum war geplant. Nach langen Verhandlungen mit dem Senat wurden teilweise Ersatzstellplätze für die Rollheimer ausgewiesen, doch die alternative Lebensform ist seitdem für Bremen weitgehend passé.

Vor einem Jahr war Baubeginn des Wohnbau-Mammutprojektes, gestern wurde Richtfest für die ersten 450 Wohneinheiten gefeiert. Im Frühjahr 1998 werden alle Wohnungen des ersten Bauabschnitts fertiggestellt sein. Insgesamt entstehen am Weidedamm mehr als 1.300 Wohnungen und Einfamilienhäuser, die Planung geht bis ins nächste Jahrtausend. In einige der schmucken Einfamilien- und Reihenhäusern sind bereits die ersten Bewohner eingezogen.

Vier Bauträger unter Schirmherrschaft der städtischen Gewoba ziehen am Weidedamm vor allem käuflichen Wohnraum hoch, doch auch staatlich geförderte Mietwohnungen entstehen auf der Fläche.

„60 Prozent des ersten Bauabschnittes sind bereits verkauft“, frohlockt Michael Bongartz, einer der vier Bauträger. Damit sei den Skeptikern der ersten Stunde der Wind aus den Segeln genommen, die an der Verkaufsfähigkeit dieser Wohngegend gezweifelt hatten. „Bald wird die Gegend zu den ersten der Stadt gezählt werden“, bemüht sich Bongartz als Prophet in eigener Sache. Auch Manfred Eisinger vom Bauträger ESPABAU hat keine Angst, daß er seine Mietwohnungen nicht losschlagen kann, wenn sie fertig sind. „Wir haben schon Dutzende Bewerbungen für die ersten 73 Wohnungen.“Die Eingangsmieten der staatlich geförderten ESPABAU-Wohnungen werden zwischen 8,90 und 10,50 pro Quadratmeter liegen.

Auch die neue Staatsrätin im Bauressort, Ulla Luther, verbreitet Optimismus. Eine „großzügige und schön bebaute Anlage“würde hier ganz offensichtlich entstehen, so der frische Berlin-Import im Festzelt zur Richtfest-Gemeinde. Die Lösung der Konflikte mit den ehemaligen Besetztern und Wagenburglern war nicht einfach, liest sie von ihrem Zettel ab.

Doch Geschichtsstunde wird nicht erteilt: Luther nutzt die Gunst der Stunde für die Ankündigung, daß eine staatliche Bezuschussung wie am Weidedamm mit ihr in Zukunft kaum noch zu machen sei: „Die öffentlichen Bauherren können sich solche Förderungen in Zukunft nicht mehr leisten.“

Christoph Dowe