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Straßenhändler an die Wand gedrückt

■ Bausenator will Gebühren für die Sondernutzung von Straßen und Gehwegen drastisch erhöhen. Geschäfte fürchten Existenzkrise. Bezirke, die von den Standentgelten profitierten, sind in der Zwickmühle

Schwere Zeiten für Kioskbetreiber, Ladengeschäfte und Marktstände. Geht es nach Bausenator Jürgen Klemann (CDU), sollen die Gebühren für die Sondernutzung von Straßen und Gehwegen drastisch erhöht werden. Allein die Markthändler sollen fünfmal soviel Standentgelte wie bisher zahlen. Die Gebührenerhöhungen sollen im Oktober im Senat verabschiedet werden.

Gegen die Pläne des Senats haben bereits zahlreiche Verbände wie die Industrie- und Handelskammer oder der Gesamtverband des Einzelhandels Alarm geschlagen. Eine starke Anhebung der Entgelte in Zeiten sinkender Erträge würde viele Betriebe in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohen. Das gleiche gelte für das Straßenleben der Stadt. Wenn sich das Herausstellen der Waren, das Betreiben von Zeitungskiosken, Imbissen oder Märkten nicht mehr lohne, verarme auch das Berliner Straßenbild, sorgen sich die Wirtschaftsverbände. Sie verweisen auf einen Umsatzrückgang des Einzelhandels seit 1991 um 15 Prozent. Allein 13 Prozent der Kioskbetreiber hätten in den vergangenen Jahren aufgeben müssen. Klemanns Sprecherin Petra Reetz verteidigt dagegen den Entwurf. In günstigen Lagen würden etwa Straßencafés den Umsatz der Wirte verdoppeln. Deshalb sei eine Gebührenerhöhung berechtigt. Im übrigen hätten die bezirklichen Tiefbauämter, die die Gebühren erheben, die Möglichkeit, nach Umsatz und Lage der Händler zu differenzieren. Auf keinen Fall, betonte Reetz, wolle man Einzelhändler verdrängen.

Zustimmung findet die geplante Gebührenerhöhung auch bei den Bezirksämtern. Diese können auf die vom Senat festgelegten Mindestentgelte noch einmal einen Zuschlag von 30 Prozent verlangen. Für die Betreiber von Wochenmärkten sei das kein Problem, sagt Dorothee Dubrau, Baustadträtin in Prenzlauer Berg. Schließlich würden diese ihre Stände für das Zehnfache der Summe weitervermieten, die der Bezirk an Gebühren verlange.

Der eigentliche Skandal liegt für Dubrau im Gebaren der Finanzverwaltung. In den Globalhaushalten für die Bezirke habe Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) die volle Ausschöpfung der bezirklichen Gebührenerhöhung bereits vorausgesetzt. Für jede nicht erhobene Erhöhung müßten deshalb die Bezirksämter büßen.

Die Bezirksämter stecken damit in einer Zwickmühle. Nutzen sie die Gebührenerhöhungen nicht aus, fehlt das Geld an anderer Stelle. Doch schon heute, klagt die Baustadträtin, kommen wir mit den Mitteln für den baulichen Unterhalt von Straßen und Gehwegen nicht hin. Uwe Rada

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