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Blasen, ohne Schaum zu schlagen

■ „Cool Medium Hot & Droog“: hippes niederländisches Design und Architektur im stilwerk

Schon seit einiger Zeit herrscht in der Architektur eine Zeit der Blasen. Da gibt es Holzblasen und Steinblasen, Glasblasen und Wortblasen, gefangene, freie oder kantige Blasen. Wer momentan ganz hip sein will, der verabschiedet sich vom rechten Winkel und bringt den schwebenden Schwung der Rundung zum Tragen.

Wie man Blasen aufwirft, ohne dabei allzuviel Schaum zu schlagen, zeigt die Architektur von Erick van Egeraat. Der Holländer, der mit seiner Skelettblase auf dem Dach einer Budapester Bank maßgeblich mit zum Blasen-Boom beigetragen hat, läßt zwar auch Räume und Wände blubbern, aber seine Phantasie macht hier nicht halt. Nach langjähriger Zugehörigkeit zu der bekannten Delfter Architekturgruppe Mecanoo, die kunstvoll die Strenge der klassischen Moderne mit der Spielleidenschaft der 90er zu einem eigenen Stil komponiert hat, trieb van Egeraat im eigenen Büro den Spagat noch weiter. Die kühle Distanziertheit von gläsernen Kuben beherrscht er inzwischen ebenso virtuos wie das psychedelische Zerfließenlassen von Gebäuden. Und gelegentlich vereint er beides in einem Entwurf.

Da sieht dann eine Radiostation aus, als habe Gott durch flüssigen Ziegelstein gerührt, und ein Museum in Cork gebärdet sich so, als sei im Hof ein Vulkan ausgebrochen. Bei Siedlungsprojekten in Dresden oder Stuttgart wiederum kann van Egeraat nicht minder launig zeigen, wie man mit dem alten Wunsch nach geraden Wänden immer noch wilde Vielfalt produziert. Der von ihm gebaute Erweiterungsbau des Rotterdamer Naturkundemuseums zeigt schließlich den ganz kühlen Klassiker, der ein scharfkantiges, nacktes Betonhaus mit einem Glashaus überstülpt.

Einem ähnlich unorthodoxen, gelegentlich frech anmutenden Stil im Bereich der Produktgestaltung frönen Droog Design, weswegen die Zusammenstellung der beiden Vertreter niederländischer Entwurfskönnerschaft in der Ausstellung Cool Medium Hot & Droog durchaus Sinn macht. Wobei Droog Design eigentlich eine Jury und keine Produzentenschaft ist. Der Designer Gijs Bakker und die Design-Kritikerin Renny Remakers versammeln nämlich unter diesem Label diverse Entwerfer, deren Produkte sie allerdings nur als „droog“anerkennen, wenn beide der Meinung sind, daß hier auf witzige Weise Trend gemacht wird. Material- und Formexperimente, die trotz Überraschungseffekt auch benutzbar sind, werden hier zusammengestellt, egal, ob sie stilistisch irgendetwas Gemeinsames haben: Hauptsache, originell.

Auffälligstes Objekt der Ausstellung im Foyer des stilwerks ist ein Swastika-Stuhl: Vier Hocker mit rechtwinkligen Lehnen sind so zusammenmontiert, daß diese von oben ein Hakenkreuz bilden. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Petra Möbel

stilwerk, Foyer und 7. Stock; Mo-Fr 12-18 Uhr, Sa 10-16 Uhr, So 14-18 Uhr, bis 19. Oktober

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