piwik no script img

■ Mit dem Thalys auf du und duSchnelle Schnecke

Aachen (taz) – Schnell ist er ja, der „europäische Schnellzug der Zukunft“. Auf den supermodernen, wiewohl landschaftszerschneidenden Schienentrassen in Frankreich rauschen TGV und Thalys mit bis zu 400 Stundenkilometern dahin (deutscher ICE: maximal 260). Von Avignon nach Paris, über 800 Kilometer diagonal durch Frankreich, in dreieinviertel Stunden – das ist beeindruckend rasant, das spart Flüge und Autofahrten.

Wenn der Thalys ab Dezember Deutschland befährt, ist er kurios lahm, lahmer nämlich als andere Züge auf gleicher Strecke vor ihm: Mit 44 Minuten ist die Fahrt für die 70 Kilometer Köln – Aachen vorgesehen, derzeit braucht ein stinknormaler Eurocity 38 Minuten. Also gibt es weder Komfort- noch Zeitgewinn. Sondern nur den Bedarf nach neuen Schienen. Weil, rechnet die IHK Aachen kühn, in wenigen Jahren das Passagieraufkommen zwischen Köln und Paris sich auf 6,5 Millionen im Jahr verdoppeln werde.

Der Thalys ist ein typisches Renommee-Projekt, das sich mit dem modernen Mäntelchen Europa schmückt. Aber es ist ein typisches „Europa von oben“. Grenznahe Destinationen fährt der Zug, anders als die abgelösten (überraschend schicken belgischen) D-Züge nicht mehr an – Welkenraedt und Verviers auf belgischer, Düren auf deutscher Seite. Anschlüsse nach Norden oder in die Niederlande sind nicht vorgesehen.

Mit Bahnreform und Regionalisierung wollte die Bahn mehr Kundennähe erreichen. Hier geschieht das genaue Gegenteil: Die Schienen gehören der privatisierten Bahn AG, Geschäftsbereich Netz. Dieser will Umsatz machen. Also stellt man der Thalys AG (ein Konsortium von französischer, belgischer, niederländischer Bahnen mit der DB) die Nutzung des Schienenwegs zu den gewünschten Zeitschienen zur Verfügung. Weil Thalys, so darf man vermuten, mehr zahlt als die Verkehrsverbünde für ihre Regionalzüge. Genaue Zahlen nennt die Bahn nicht, Geschäftsgeheimnis. Jedenfalls sind es Millionenbeträge. Die Bahn AG sagt: „Auf der Schiene wird eine völlig neue Art der internationalen Kooperation geprobt.“ Mit zahlenden Kunden als Versuchskaninchen: Früher waren die Herren Schaffner unfreundlicher, die Verbindungen waren schlechter. Aber dafür wurde man nicht auf Regionalbahnhöfen zwischengeparkt und mußte mehr Geld für weniger Leistung bezahlen. Dem Aachener Verkehrsausschuß sollten Bahnvertreter jetzt Rede und Antwort stehen. Sie sagten am Tag der Sitzung per Fax kommentarlos ab. müll

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen