: Deutsches BSE-Ultimatum aus Brüssel
Die EU stellt nach einer Inspektion eklatante Mängel in einigen norddeutschen Schlachthöfen fest. Herkunftsdokumente für Rindfleisch waren lückenhaft, Stempel verschwanden ■ Aus Brüssel Alois Berger
Die EU-Kommission hat die Schließung des Fleischhandels Kaltenkirchen wegen eventueller BSE-Betrügereien gefordert. Auch zwei bis drei Kühlhäuser in NRW und Mecklenburg-Vorpommern sind des Etikettenschwindels verdächtig, so gestern ein Sprecher der Verbraucherschutzkommissarin Emma Bonino in Brüssel. Die ARD nennt die Kühlhäuser Bochum und Rostock. Die Bundesregierung hat nun eine Woche Zeit zu reagieren. Ob die Firmen tatsächlich illegal Fleisch eingeführt haben, ist unklar.
Vom 8. bis 12. September inspizierten EU-Kontrolleure deutsche Schlachthöfe und Fleischverarbeitungsbetriebe. Grund dafür war der Verdacht, daß britisches Rindfleisch auch über deutsche Firmen in andere Länder weiterexportiert wird. Das Ergebnis dieser Untersuchung teilten die EU-Veterinäre vor ihrer Abreise aus Deutschland den zuständigen Behörden am 12. September mündlich mit. Der Gesundheitsminister weiß also seit diesem Zeitpunkt Bescheid.
Der endgültige Bericht der Inspektion ist noch nicht fertig. Doch wegen der Dringlichkeit schickte Emma Bonino am Montag abend dem deutschen Gesundheitsminister einen Brief, in dem sie ihn zum Handeln auffordert. Sie wies dabei vor allem auf den Fleischverarbeitungsbetrieb und die oben genannten Kühlhäuser hin, in denen eklatante Mängel festgestellt worden seien. So gebe es in diesen Betrieben keine durchlaufenden Herkunftsnachweise für das verarbeitete oder gelagerte Rindfleisch. Die Dokumente seien äußerst unvollständig, die Bestandslisten lückenhaft.
Es gebe auch deutliche Hinweise, daß von einzelnen Fleischteilen die Stempel entfernt worden sind, so Informationen aus der EU- Kommission. In Kenntnis dieser Mängel solle überlegt werden, schreibt Bonino, ob diesen Betrieben die Lizenz für den Fleischhandel entzogen werden soll. Sie wies darauf hin, daß dies bei vergleichbaren Fällen in Belgien und Großbritannien geschehen sei.
Die Vorsitzende des BSE-Ausschusses im EU-Parlament, Dagmar Roth-Behrendt (SPD), sprach von einer „beispiellosen Heuchelei“ der deutschen Behörden. Die Mißstände seien dem Gesundheitsminister seit über einer Woche bekannt, ohne daß er etwas unternommen hätte. Aufgrund der Dichte der Mängel in den beanstandeten Betrieben könne man nicht mehr von bloßer Schlamperei ausgehen, wie die deutschen Behörden das gerne darstellten. „Hier geht es um Betrug“, sagte Roth-Behrendt gestern, „das muß man endlich auch einmal so sehen.“ Sie hält die Schließung solcher Betriebe für angemessen.
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