piwik no script img

Beton-Biotop mit Seerose

Wunder der Bürokratie: Wie eine Betonwanne mit Löschwasser zum Ökotop mit schützenswerter Unterwasservegetation mutiert  ■ Von Heike Haarhoff

Michael Deblers Ärger über „einen Teich, der keiner“, dafür aber seiner ist, klemmt zwischen zwei Aktendeckeln. Kopfschüttelnd blättert der Altonaer Autohändler im Schriftwechsel mit Bezirksamt Altona, Baubehörde und Parteien. „Hier, die Baugenehmigung von, warten Sie mal, '94 muß das gewesen sein.“

Auf dem angegilbten Briefbogen, Absender Bezirksamt Altona, steht es schwarz auf weiß: Das 2500 Quadratmeter große Wasserbecken auf dem hinteren Teil des Autohausgeländes an der Behringstraße möge Debler zum Zwecke der „Betriebserweiterung“ruhig trockenlegen und mit einer Ausstellungshalle für seine blitzenden Karossen überbauen. 1994 jedenfalls. Damals wollte niemand dem einst in einer Betonwanne angelegten Löschwasserteich eine Träne nachweinen.

„Jaja, gucken Sie sich das ruhig an“, ereifert sich der Verkäufer, während Hände und Augen nach den Briefen jüngeren Datums suchen. Denen von 1996 und 1997 zum Beispiel. Darin wollen ihm Hamburgs behördlich-landschaftsplanerische Gutachter weismachen, daß das tote, hüfttiefe Gewässer zwischenzeitlich zu einem „schützenswerten Biotop“mutiert sei. Statt den Hallenbau zu genehmigen wird Debler nun empfohlen, „die Uferbereiche naturnah zu gestalten“.

„Das war nie was anderes als 'ne Betonwanne“, ruft Debler erbost, eilt nach draußen, zum Teich, „der gar keiner ist“, winkt seinem Mechaniker, „unserem kräftigsten“zu, er möge sich „schnell mal die Hosen anziehen“– und dann zu Demonstrationszwecken für die Presse ab in den Tümpel. Da watet der Mechaniker nun zwischen Seerosen umher. Bis zum Schritt geht ihm das Wasser. „Sehen Sie etwa Fische?“fragt der Chef triumphierend. Nichts, gar nichts Lebendiges sei darin zu finden.

Denn der ökologische Wandel vollzog sich weniger in der Natur denn auf dem Bebauungsplan-Papier: Altonas Bezirkspolitiker verwandelten das ehemalige Industriegebiet 1996 in eine „private Grünfläche“. So sollte an der Behringstraße – wo bald ein Kino, ein Gewerbepark, Parkhäuser sowie Wohnungen für 5000 Menschen entstehen sollen – wenigstens etwas Natur erhalten bleiben.

Wenn auch nur als – saisonbedingt – plätschernde Betonwanne: Nicht mal einen natürlichen Ab- und Zufluß habe der Teich, klagt Debler. Im Sommer verdunste das Wasser deswegen. Dann müsse der Autohändler als Teichbesitzer eben auf eigene Kosten – 23.000 Mark kostet eine Füllung – Wasser zulaufen lassen, empfahlen ihm Altonas Bezirkspolitiker. „Zum Mäusemelken“sei das, sagt Debler, der nach eigenen Angaben „gern Arbeitgeber“für 40 Angestellte ist und es für 30 weitere geworden wäre, die er „ganz bestimmt“in dem zweiten Betrieb auf dem Teich beschäftigt hätte.

Die Stadt, die unlängst die „Unterwasservegetation“beschworen hatte, lenkte gestern überraschend ein: „Die Sache“sei „auf gutem Weg“, ließ Thomas Mirow (SPD), Senator für derzeitige Stadtentwicklung und eventuell künftige Wirtschaft, verlauten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen