Keine Roßtäuscher im Finanzressort

■ „Ungeheuerlicher Immobilienskandal“ um Landkauf des Pferdezüchters Schockemöhle rechtlich einwandfrei. 92 Pfennig je Quadratmeter Stadtgut sind Verkehrswert. Senat kassiert bei Wertsteigerung

Der vermeintliche Politskandal um Verkäufe von Landeseigentum an den Pferdezüchter Alwin Schockemöhle erweist sich als Panikmache. Statt eines Immobiliendeals, den die Grünen und Gewerkschafter befürchtet hatten und der gestern im Vermögensausschuß des Parlaments diskutiert wurde, plant Schockemöhle in Stolpe bei Berlin eine gediegene Traberzucht. Der mehrfache Olympiasieger will 150 Trabrennpferde auf den Äckern des 240 Hektar großen Guts Stolpe artgerecht halten. Sollte der gelernte Landwirt anderes im Sinne haben, steht er beim Senat in der Pflicht. Das zeigen die der taz bekannten Vertragskonditionen zwischen Schockemöhle und dem Land.

Auch der von den Bündnisgrünen und der Gewerkschaft IG Bau als „ungeheuerlicher Immobilienskandal“ kritisierte Kaufpreis ist dem Vernehmen nach juristisch einwandfrei. Die 92 Pfennig pro Quadratmeter entsprechen dem Verkehrswert. Die in der Vertragsroutine enthaltene Preisnachprüfung ist im Gange.

Der Vorsitzende der IG Bau, Klaus Pankau, hatte gemutmaßt, dem 2,2 Millionen Mark teuren Flurstück stehe eine Preissteigerung von bis zu 400 Prozent bevor – wenn es in Bauland umgewidmet wird. Sollte dies erfolgen, wäre Schockemöhle vertraglich verpflichtet, 80 Prozent des Mehrwerts an den Senat abzuführen, sagte Schockemöhles Anwalt Hartmut Fromm der taz.

Gestern waren die Gerüchte wegen des günstigen Verkaufs von Stadtgütern am Stadtrand um die Wette galoppiert. Im geheim tagenden Vermögensausschuß wurden harte Fragen nach der politischen Verantwortlichkeit von Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD) und ihres zuständigen Staatssekretärs Peter Kurth (CDU) für die mutmaßliche Roßtäuscherei gestellt. Nach dem derzeitigen Stand haben sich jedoch beide korrekt verhalten: Der Staatssekretär mußte den Vertrag nicht unterzeichnen, weil er unterhalb der dafür notwendigen Wertmarge von 10 Millionen Mark liegt. Also signierte ein Zeichnungsberechtigter der Finanzverwaltung. Unabhängig davon sieht die Finanzsenatorin in ihrem Hause „erhebliche Fragen“ auftauchen, die sie einer „gründlichen Untersuchung“ unterziehen will.

Schockemöhle benötigt eine so große Fläche, weil er auf artgerechte Tierhaltung setzt. „Die Pferde werden nicht verweichlicht“, sagte Schockemöhles züchterischer Berater Hermann Bischof. „Wenig Pferde, viel Fläche, viel Auslauf“ heiße das Motto des weltbekannten Züchters. Schockemöhle betreibt in Mühlen bei Oldenburg die einzige überdachte Trainingsbahn für Traber in Europa. Der Gemeinderat Stolpes hat sich vor Ort von der Seriosität des Investors überzeugt. In Stolpe selbst wird Schockemöhle zwei Ställe und eine Halle errichten. Er will vier Millionen Mark investieren, und es sollen sieben bis acht Arbeitsplätze entstehen. Baubeginn ist für den Herbst 1998 vorgesehen. Christian Füller