piwik no script img

Schwerer büßen mit Norwegermuster

Würzburg (dpa/taz) – Eine 19jährige Mutter, die in Würzburg wiederholt beim Schwarzfahren erwischt wurde, war zu 240 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Nachdem sie 62 Stunden davon abgeleistet hatte, befiel das Gericht ein Sinneswandel, und es befand, die junge Mutter müsse sich zu Hause um ihr Kind kümmern. Ein Würzburger Jugendrichter wandelte deshalb gestern die Strafe in eine Handarbeit um: Die Frau muß nun zu Hause einen Pullover stricken, der anschließend an eine gemeinnützige Einrichtung gegeben werden soll. So weit, so einleuchtend. Handarbeit als Strafe hat in Deutschland schließlich Tradition und wird als zweifelhafte Präventivmaßnahme gegen backfischhafte Bockigkeit per gleichnamigem Unterricht schon gegen Sechsjährige eingesetzt. Allerdings wirft das Strafmaß doch einige Bedenken auf: 178 Stunden Strickzeit für einen einzigen Pullover zu veranschlagen ist maßlos. Um auf diese Zeit zu kommen, müßte mit feinstem Zwirn, Nadeln der Stärke 0,2 und in Halbpatent gearbeitet werden, der Rumpf achtfarbig mit aufwendigen Norweger-, Ärmel und Kapuze in zwölffarbigen Jaquardmustern, alles in Größe XXXXXL. Das Urteil des Würzburger Jugendrichters ist deshalb als eine unzulässige Strafverschärfung zu werten sowie als frauenfeindlich, menschenverachtend, sexistisch und rassistisch.

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen