: Der Glaube ersetzt die Kalkulation
■ Der Nutzen der Ostseeautobahn wird mit Daten berechnet, die von sieben Prozent Wachstum ausgehen
Berlin (taz) – Bei der Ostseeautobahn setzt bei Ministern das Denken aus. Das geht aus den Antworten von Verkehrsminister Matthias Wissmann auf eine Anfrage der Bündnisgrünen sowie der mecklenburgischen Landesregierung auf eine PDS-Anfrage hervor. Während für den Transrapid immerhin Anfang des Jahres eine neue Wirtschaftlichkeitsstudie erstellt wurde, werden für die A 20 die Daten von 1991 verwendet. Der damals erarbeitete Bundesverkehrswegeplan geht davon aus, daß die Wirtschaft in den neuen Ländern jährlich um sieben Prozent wächst – eine verfehlte Annahme. Doch die Schweriner Landesregierung schert das nicht: „Die Nutzen-Kosten-Beurteilung der A 20 ist so günstig, daß bei geänderter Verkehrsnachfrage aufgrund neuerer Prognosegrunddaten ihre Anerkennung als ,Vordringlicher Bedarf‘ außer Frage steht.“
Zu der Prognose, die Ostseeautobahn werde 50.000 Menschen Arbeit bringen, will Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) nicht mehr stehen. Statt dessen speist er die fragende Parlamentarierin mit dem Glaubenssatz ab, es werde „eine große Zahl von Arbeitsplätzen entstehen“. Die Bundesregierung wird konkreter: Sie verspricht „mehr als 20.000“ Jobs – teils in der Bauindustrie, teils in Firmen, die sich in der Nähe der Asphaltpiste ansiedeln. Corinna Cwielag, Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schwerin, kritisiert: „Jeder denkt sich irgend was aus. Es gibt keine nachvollziehbaren Grundlagen.“
Mit ihrem Optimismus ignorieren die Regierenden außerdem wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Bundesanstalt für Landeskunde und Raumordnung hat bereits Anfang der 80er Jahre nachgewiesen, daß Fernstraßenbau im ländlichen Raum eher negative als positive Effekte für den regionalen Arbeitsmarkt hat. Nicht in einem einzigen Fall konnten sie in der damaligen Untersuchungsregion Mittelfranken feststellen, daß die Autobahn einen Investor zur Ansiedlung motiviert hat. Dagegen zog es viele Arbeitskräfte aus den Dörfern zur täglichen Fahrt in die Städte. Annette Jensen
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